Suyana Siles, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras
Tegucigalpa, Honduras
Angesichts der steigenden Zahl gewaltsamer Vertreibungen von Bäuerinnen/Bauern und Indigenen in den letzten Monaten haben sich zehn Zivilorganisationen in Honduras diesen Juli vereint und den Bloque Popular Campesino e Indígena gegründet.
Als es in Honduras im Januar 2022 einen Regierungswechsel gab, waren die Hoffnungen gross, dass den Menschenrechten der Bevölkerung endlich Beachtung geschenkt würde. Auch die Bäuerinnen/Bauern und Indigenen hofften auf eine wesentliche Verbesserung ihrer Situation, denn ihre Lage ist prekär. 63 % der Bevölkerung im ländlichen Sektor lebt in Armut, davon 50 % in extremer Armut. Die Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe sind gleich mehrfach bedroht. Bäuerinnen/Bauern und Indigene verfügen häufig nicht über die rechtlichen Dokumente des ihnen gehörenden Landes, sie sind Opfer von gewaltsamen Landvertreibungen und ungerechtfertigten Strafverfahren, ausserdem sind sie Einschüchterungen und Gewalt durch Grossindustrielle ausgesetzt. Doch trotz dieser Bedrohungen kämpfen Bäuerinnen/Bauern und Indigene für ihre Rechte. In Honduras gibt es eine Vielzahl von lokalen und nationalen Zivilgesellachaftsorganisationen, die sich für den Zugang zu Agrarland, den Erhalt des Ökosystems und eine korrekte Strafjustiz einsetzen.
Anfang Juni 2023 gründete die neue Regierung die Kommission für Agrarsicherheit und den Zugang zu Landwirtschaftsland. Gemäss der Regierung können die prekären Bedingungen, unter denen die ländliche Bevölkerung und der landwirtschaftliche Sektor leben, nicht länger ignoriert werden – vor allem nicht die Bevölkerung, die täglich ums Überleben kämpft, während andere Sektoren aufgrund der ungerechten Wirtschaftsmodelle des letzten Jahrzehnts grosse Privilegien und hohe Gewinne geniessen. Wie der Name verrät, ist das Ziel dieser Kommission die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion und der Zugang zu Landwirtschaftsland für Bäuerinnen/Bauern und Agrarunternehmen. Die Kommission klang sehr vielversprechend für die Bäuerinnen/Bauern und Indigenen, doch gab es bereits zu Beginn ein paar skeptische Stimmen. Die Skepsis rührte auch daher, dass sich die Kommission lediglich aus Vertreter*innen der staatlichen Sicherheitskräfte zusammensetzt. Bäuerinnen/Bauern, Indigenen oder zivilgesellschaftliche Organisationen sind in der Kommission nicht vertreten und haben auch keinen Beobachtunggsstatus. Zwei Monate später zeigt sich, dass sich die Lage nach der Gründung der Kommission nicht verbessert, sondern wesentlich verschlechtert hat. 2023 gab es bisher insgesamt 23 illegale oder gewaltsame Landvertreibungen (Stand 07.07.23), davon fanden alleine elf – also knapp die Hälfte – seit der Gründung der Kommission Anfang Juni und in nicht einmal zwei Monaten statt. Dies ist eine gravierende Auswirkung. Gewaltsame Landvertreibungen bedeuten für die betroffenen Bäuerinnen/Bauern und Indigenen nämlich einen herben Verlust: ihre Felder mitsamt den Pflanzungen werden zerstört, und sie verlieren ihre Nahrungsgrundlage und das Saatgut. Ihre Häuser auf dem Grundstück werden ebenfalls zerstört – manchmal mit allem, was sich darin befindet. Von den Land-vertreibungen sind ausschliesslich Bäuerinnen/Bauern und Indigene betroffen, nicht aber Viehzüchterinnen Holzfäller, Bergleute und Agrarindustrielle. Die Befürchtungen der Bäuerinnen/Bauern und Indigenen, wonach die Kommission grosse Unternehmen und die Agrarindustrie favorisiert und die Rechte der Bäuerinnen/Bauern und Indigenen vernachlässigt oder gar verletzt, scheinen sich zu bewahrheiten.
Angesichts dieser Bedrohung haben zehn regionale Organisation beschlossen, sich zum Bloque Popular Campesino e Indígena (Vereinigung der Bäuerinnen/Bauern und Indigenen) zusammenzuschliessen. Als Block vereint wollen sie dafür kämpfen, dass die Kommission zur Agrarsicherheit und den Zugang zu Landwirtschaftsland auch ihre Anliegen berücksichtigt. Da den zehn Organisationen wiederum eine Vielzahl kleinerer lokaler Organisationen angehören, hat der Zusammenschluss ein ordentliches Gewicht. Die Formierung des Bloque Popular Campesino e Indígena wurde im Rahmen einer Pressekonferenz am 7. Juli 2023 in Tegucigalpa bekanntgegeben. Peace Watch Switzerland (PWS) hat die Pressekonferenz auf Ersuchen der Plataforma Agraria del Aguán begleitet. Es war beeindruckend und bewegend zu sehen, wie die Bevölkerung Honduras’ trotz Kriminalisierung, Drohungen und Morden nicht aufgibt und eine unglaubliche Stärke beweist. Bleibt zu hoffen, dass die Bäuerinnen/Bauern und Indigenen Recht behalten mit ihren Zwischenrufen an der Pressekonferenz «El pueblo unido jamás será vencido!» («Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden!»).
Bildlegende: PWS begleitete die Organisation Plataforma Agraria del Aguan an die Pressekonferenz. (PWS 2023)