Porträts von mutigen Frauen

Artikel von Mónica Gálvez, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von PWS in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Ich blicke in den klaren Himmel und dann nach unten, wo ich die Spiegelung der Wolken auf der ruhigen Oberfläche des Flusses entdecke. Dieser Ort hat etwas Magisches an sich. Alles, was ich um mich herum sehe, ist durchdrungen von Hunderten von Geschichten – aus der Kindheit, vom Kampf und von der Liebe für das Land und seine Ressourcen.

Ich beobachte weiter, höre zu und sauge die Energie des Ortes auf, während ich den Kaffee trinke, den Rebecca für mich zubereitet hat. Wenn sie anwesend ist, nimmt sie sich immer Zeit für mich. Auch an arbeitsreichen Tagen hat sie immer Zeit, mich beim Fluss mit einer Tasse Kaffee in der Hand zu begrüssen.

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“Gemeinsam sind wir stärker”

Proteste der Volksereinigung von Bäuerinnen, Bauern und Indigenen von Honduras in Tegucigalpa.

Artikel von Elvia Miralda, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras. Dezember 2023.

Am vergangenen 20. November wurde die honduranische Hauptstadt Tegucigalpa zum Epizentrum eines beispiellosen Protests, angeführt von der Volksvereinigung der Bäuerinnen, Bauern und Indigenen und der Bewegung für Würde und Gerechtigkeit. Mehr als 12 bäuerliche und indigene Organisationen aus dem ganzen Land beteiligten sich an der Demonstration, an der Hunderte von Menschen teilnahmen.

Die beeindruckende Zahl von über 1000 Teilnehmenden an der Demonstration symbolisiert nicht nur eine beeindruckende zahlenmäßige Stärke; die ländliche Bevölkerung hat für diese Kundgebung auch ein grosses, eigenes Opfer gebracht. Um die Tragweite dieses Protestes zu verstehen, muss man sich in die tägliche Realität der bäuerlichen Bevölkerung versetzen, deren Arbeitszeiten eng mit dem Lebensunterhalt und der Nach-haltigkeit ihrer Gemeinschaften verbunden sind.

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Honduras hat mich viel gelehrt

Suyana Siles, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras

Tegucigalpa, Honduras

Meine Zeit als Menschenrechtsbegleiterin für PWS in Honduras ist bald zu Ende, doch die Eindrücke bleiben. Der Austausch mit Menschenrechtsaktivist*innen hat mir die Konsequenzen meines Handelns als Konsumentin in der Schweiz verdeutlicht und mir meine privilegierte Position ins Bewusstsein gerufen.

Nach sechs Monaten in Honduras habe ich viele beeindruckende, aber auch bedrückende Erfahrungen gesammelt. Es ist schwer zu begreifen, dass beispielsweise auf der Halbinsel Zacate Grande die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keine Eigentumstitel für ihr Land hat, auf dem sie wohnen und das sie bewirtschaften – und dies obschon das Land seit vielen Generationen in ihrem Besitz ist. Dagegen sind offenbar einflussreiche Familien, die erst später zugezogen sind, auf undurchsichtige Weise zu den angeblichen Eigentumstiteln gelangt.

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Vertreibungen. Die Verteidigung von Land und Gemeingüter schlägt tiefe Wunden

Artikel von Elvia Miralda, nationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Kürzlich hatte ich bei einer meiner Menschenrechtsbegleitungen die Gelegenheit, einen bekannten Aktivisten der Ethnie der Tolupanes im Departement Yoro zu treffen. Während wir über seinen Kampf in dem Gebiet sprachen, erzählte er mir: “Meine Familie und ich wurden vor mehreren Monaten aus unserer Gemeinde vertrieben. Wegen der Verteidigung des Gebiets wurde ich mit dem Tod bedroht. Das hat uns vertrieben.» Als ich das Wort “vertrieben” hörte, fühlte ich einen Kloss im Hals. Welche Worte kann man für diejenigen finden, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um ihr Leben und dasjenige ihrer Familien zu retten? Leider war dieser Aktivist an diesem Tag nicht die einzige Person, die ich in dieser Situation antraf.

In den Gebieten des Widerstands, in denen sich Gemeinschaften mutig zusammenschliessen, um ihr Land und ihre Gemeingüter zu verteidigen, gibt es eine stillschweigende Tragödie, welche die Gemeinschaften und ihre Aktivisten stark betrifft: die Zwangsvertreibung.

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Wie ich die Justiz in Honduras erlebe

Suyana Siles, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Bei meinen Einsätzen als Menschenrechtsbegleiterin lernte ich: Die Korruption bringt das Justizsystem in Honduras gewaltig aus dem Gleichgewicht. Die Macht der einflussreichen Familien, Firmenbesitzer, Narcos und Politiker wirkt sich auf das ordentliche Justizverfahren aus und bringt dessen Ablauf durcheinander. Die erschreckende Erkenntnis war, dass Abweichungen jeglicher Art jederzeit möglich sind und nichts unmöglich ist.

Im Austausch mit Menschenrechtsaktivist*innen wurde ich immer wieder mit Ungereimtheiten in der Justiz konfrontiert. Gewisse Geschichten waren derart absurd, dass ich während der Gespräche teilweise dachte, meine Spanischkenntnisse seien mangelhaft und ich verstünde die Erzählungen der Menschenrechtsaktivist*innen falsch. Dann erkannte ich, dass ich durchaus alles richtig verstanden hatte, das Ausmass der Korruption jedoch meine Vorstellungskraft sprengte. Die Korruption in der Justiz zeigt sich in vielen Formen, und ich kann hier nur ein paar wenige Beispiele wiedergeben:

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Fünf Gründe, weshalb mich meine Freiwilligenarbeit bei PWS als Honduranerin prägten

Mónica Gálvez, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras

Tegucigalpa, Honduras

Als ich meine Freiwilligenarbeit bei PWS begann, schrieb ich einen Artikel darüber, wie ich einen Teil meines Landes entdeckte, von dem ich zwar wusste, dass er existiert, der aber weit weg von meiner Alltags-Bubble war. Heute, nach acht Monaten, in denen ich Gemeinden besucht, mit Aktivist*innen gesprochen, an Gerichtsverfahren mit wenig effizienten Ergebnissen teilgenommen und so viele Geschichten von Kämpfen gehört habe, betrachte ich noch die Wiederentdeckung meines eigenen Landes erneut.

In diesem Artikel fasse ich einige der Gründe zusammen, warum ich mehr als je zuvor über das Honduras gelernt habe, in dem ich lebe, und wie die Arbeit als Menschenrechtsbegleiterin bei PWS mir eine neue Vision davon vermittelt, was es bedeutet, Honduraner zu sein.

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Land und Nahrung: Grundrechte in Honduras

Artikel von Elvia Miralda, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras

Tegucigalpa, Honduras

Der Kampf um unsere Rechte, Land und Nahrungsmittel

In Honduras kämpfen täglich Tausende von Bauern und Bäuerinnen für die Produktion der Lebensmittel, die auf unseren Tischen landen. Sie stellen sich den Herausforderungen und kämpfen für die Nahrungsmittelsicherheit und -souveränität. Hinter diesen Bemühungen stehen Geschichten von Widerstand und der ständigen Suche nach Gerechtigkeit gegen die Machteinflüsse, die extraktive Unternehmen (Bergbau, Fischerei und Holzabbau) und Monokulturen in der industriellen Landwirtschaft (Zuckerrohr, Bananen und Palmöl) auf unser Leben, unsere Gebiete und unsere Lebensmittel ausüben.

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Als Menschenrechtsbegleiterin in Honduras

Artikel von Jennifer Anspach, internationale Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Das Ende rückt bereits mit grossen Schritten näher. Nach fünf Monaten Freiwilligenarbeit bin ich immer noch nicht in der Lage, Ihnen das magische Rezept für einen guten Menschenrechtsbegleiter oder eine gute Menschenrechtsbegleiterin zu geben. Mit diesem Artikel möchte ich jedoch zum Ausdruck bringen, was diese Arbeit für mich bedeutet, und Ihnen ein wenig von meiner Realität hier in Honduras erzählen.

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Bäuerinnen/Bauern und Indigene vereint im Kampf für ihre Rechte

Suyana Siles, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras

Tegucigalpa, Honduras

Angesichts der steigenden Zahl gewaltsamer Vertreibungen von Bäuerinnen/Bauern und Indigenen in den letzten Monaten haben sich zehn Zivilorganisationen in Honduras diesen Juli vereint und den Bloque Popular Campesino e Indígena gegründet.

Als es in Honduras im Januar 2022 einen Regierungswechsel gab, waren die Hoffnungen gross, dass den Menschenrechten der Bevölkerung endlich Beachtung geschenkt würde. Auch die Bäuerinnen/Bauern und Indigenen hofften auf eine wesentliche Verbesserung ihrer Situation, denn ihre Lage ist prekär. 63 % der Bevölkerung im ländlichen Sektor lebt in Armut, davon 50 % in extremer Armut. Die Menschenrechte dieser Bevölkerungsgruppe sind gleich mehrfach bedroht. Bäuerinnen/Bauern und Indigene verfügen häufig nicht über die rechtlichen Dokumente des ihnen gehörenden Landes, sie sind Opfer von gewaltsamen Landvertreibungen und ungerechtfertigten Strafverfahren, ausserdem sind sie Einschüchterungen und Gewalt durch Grossindustrielle ausgesetzt. Doch trotz dieser Bedrohungen kämpfen Bäuerinnen/Bauern und Indigene für ihre Rechte. In Honduras gibt es eine Vielzahl von lokalen und nationalen Zivilgesellachaftsorganisationen, die sich für den Zugang zu Agrarland, den Erhalt des Ökosystems und eine korrekte Strafjustiz einsetzen.

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Reflexionen nach einem Jahr Menschenrechtsbegleitung in Honduras

Artikel von Nicolas Schärmeli, internationaler Menschenrechtsbegleiter von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Anlässlich meiner ersten Kontaktgespräche mit PWS in der Schweiz wurde ich gefragt, weshalb ich ein Jahr als internationaler Menschenrechtsbegleiter tätig sein möchte und was meine Erwartungen seien.

Viele direkte Erwartungen hätte ich nicht, antwortete ich damals; ich wolle vor allem Lernen und Erfahrungen sammeln. Mein Interesse gehöre dem kulturellen Austausch und der Solidarität mit Menschen in schwierigen Situationen. Schlussendlich war mir nicht viel bekannt über Honduras – ein Land, über welches in den Medien wenig berichtet wird, zumindest nicht in der Schweiz.

Nach einem Jahr kann ich sagen, ich bin froh mit dieser Einstellung das Projekt begonnen zu haben. So konnte ich sehr viel mitnehmen. Ich möchte nun davon erzählen, was ich in einem Jahr in Honduras gelernt habe.

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