Artikel von Anselma, internationale Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.
Tegucigalpa, Honduras
Das afroindigene Volk der Garifuna kämpft im Norden von Honduras seit Jahren um ihr angestammtes Land, das ihnen von honduranischen Regierungsbeamten und ausländischen Investoren streitig gemacht wird. Sie haben es auf das Land an der Küste abgesehen, um Palmöl-Plantagen, Bergbau- oder Tourismusprojekte zu errichten. Wir haben eine Garifuna Gemeinschaft auf ihrem kürzlich wiederbesetzten Grundstück, einem ehemaligen Tourismusresort, in der Nähe von Trujillo besucht.

Etwa 20 Minuten westlich der Stadt Trujillo, im Norden an der honduranischen Karibikküste, fahren wir auf ein grosses Tor zu, an dem die schwarz-grün-gelb-rote OFRANEH[1] Flagge hängt. Es wird von jungen Garifuna Männern bewacht. Als sie uns erkennen, öffnen sie das Vorhängeschloss, begrüssen uns grinsend und lassen uns passieren. An einem Schild “Bienvenidos a Campo del Mar” vorbei, fahren wir auf der Zufahrtsstrasse einem kitschigen, mit überdimensionierten Seepferdchen geschmückten Springbrunnen ohne Wasser entgegen. Hier verzweigt sich die Kiesstrasse, wir folgen dem Weg Richtung Küste. Die mit Naturmaterialien gedeckten Sonnenschirme am Traumstrand sind zwar schon ziemlich verwittert, erinnern aber dennoch an die luxuriösen Zeiten als kanadische und US-amerikanische Kreuzfahrttouristen das Resort besuchten. Direkt am weissen Sandstrand mit Blick auf das türkisblaue Meer liegt das Herzstück des ehemaligen Tourismuskomplex “Campo del Mar” – ein Restaurant, eine Bar und der Aufenthaltsbereich mit zwei Pools.

Hier befindet sich seit Anfang Juli 2024 das Zentrum der Garifuna Gemeinschaft. Sie fordern ihr angestammtes Land, auf dem dieses Anwesen widerrechtlich errichtet wurde, zurück. Die Garifuna haben sich provisorisch eingerichtet, im Schatten des ehemaligen Restaurants ihre Zelte aufgeschlagen und neben der Bar eine Küche unter freiem Himmel installiert. Sie leben gemeinschaftlich, teilen sich die täglichen Aufgaben und haben bereits begonnen, lebensnotwendige Nahrungsmittel anzubauen.

Die Eigentumsrechte der Garifuna werden nicht respektiert
Das Volk der Garifuna wurde von englischen Sklaventreibern von der karibischen Insel St. Vincent vertrieben und 1797 auf die heute zu Honduras zählende Insel Roatán deportiert. Von dort aus verbreiteten sie sich an der Küste von Honduras, wo sie heute noch Subsistenzwirtschaft und Kleinfischerei betreiben. 1887 und 1901 erhielten sie von den damaligen honduranischen Präsidenten kollektive Eigentumstitel.[2] Das heisst, dass bis heute der Kauf und Verkauf von Garifuna-Gemeinschaftstitel unter allen Umständen illegal ist. Dies bekräftigt auch das Abkommen 169 über indigene Völker der ILO (International Labor Organization)[3]. Trotzdem wurden seit den 1990er Jahren und insbesondere während der Präsidentschaft von Juan Hernandez Orlando zwischen 2009 – 2022 immer wieder solche angestammten Landtitel illegal verkauft. Insbesondere an kanadische oder US-amerikanische Investoren, welche auf diesen Territorien Tourismusprojekte, private Ferienhäuser, Bergbauprojekte oder Palmöl-Plantagen errichteten. Teils sind auch kriminelle Akteure im Spiel, die das Land für illegale Aktivitäten wie Drogenanbau oder -transport benutzen. Während den 13 Jahren der Orlando Präsidentschaft, die von vielen Hondruaner:innen auch als “Narcodiktatur” benannt wird, kauften sich viele Kanadier:innen ihr “Stück Paradies” an der honduranischen Karibikküste.
Ein Pornokönig in der Karibik
So auch Randy Roy Jorgenson, ein kanadischer Unternehmer, bekannt unter dem Spitznamen “Pornokönig”. Er wurde Ende der 1980er Jahren durch die Pornoindustrie reich und berühmt und lebt seit 2007 in Honduras.[4] Dank seiner engen Kontakte zum damaligen Präsidenten Porfirio Lobo gelang es ihm, illegal mehr als 600 Hektar Land der Garífuna zu erwerben, wo er Ferienanlagen und private Ferienhäuser baute. An diesen gesetzeswidrigen Deals waren honduranische Regierungsbeamte, ausländische Investoren und sogar internationale “Entwicklungs”- Institutionen (wie zB die Interamerikanische Entwicklungsbank) beteiligt.[5]

Bereits 2008 denunzierte OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña, die Organisation für die Rechte der Garifuna), Randy Roy Jorgenson für die widerrechtliche Aneignung ihres angestammten Landes.[6] Erst 2019 kam es zu einem Prozess gegen Jorgenson wegen Betrugs und Geldwäsche. Ende April 2024 wurden in diesem Zusammenhang mehr als 200 Grundstücke beschlagnahmt, darunter auch „Campo del Mar”. Bis heute wurde das Urteil jedoch noch nicht veröffentlicht.[7]
Trotz Einschüchterung, die Garífuna verteidigen ihr Land
Die karibische Morgensonne brennt kräftig auf uns herunter, während wir mit einem Mitglied der Garifuna Gemeinschaft über das grosse, paradiesische Anwesen schlendern und die vielen exotischen Obstbäume bestaunen. Der Mann, um die vierzig Jahre alt, erklärt uns, dass die Garifuna das Land für den Selbstbedarf gemeinschaftlich bebauen und an den noch vorhandenen Gebäuden des Kanadiers nicht interessiert seien. Unzählige Yuccastauden und über 200 Kokospalmen haben sie am Strand innerhalb von einem Monat gesetzt. Zudem sind sie dabei, auf dem Gelände ein Garifuna-Zentrum für Ahnenwissen “Hachari Wayunagu”, einzurichten.

Die Idylle an diesem paradiesischen Ort trügt jedoch: Die Rückgewinnung des Landes Ende Juni 2024 war von Einschüchterungsversuchen und Androhung von gewaltsamer Vertreibung durch die Polizei geprägt. Mindestens drei Aktionen führte die Polizei innerhalb einer Woche gegen die Garifuna durch, in einer Nacht trafen etwa 60 Beamte ein, darunter Spezialeinheiten mit schweren Waffen.[8] Obwohl gegen Jorgensen schon in mehreren Fällen wegen Betrugs ermittelt wird, ist er weiterhin auf freiem Fuss. Die nationalen Behörden scheinen ihre Kräfte lieber gegen die eigene Bevölkerung, als gegen Ausländer einzusetzen. Ironischerweise werden die Garifuna der widerrechtlichen Aneignung ihres eigenen Landes beschuldigt.
Die Garifuna werden sich jedoch weiterhin mit vereinten Kräften gegen die Ungerechtigkeiten und für ihr Land einsetzen. Ein kleiner Lichtblick sind auch zwei Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Corte IDH) aus dem Jahr 2015 und 2023, die den honduranischen Staat dazu verpflichten, kollektives Land an die Garifuna zurückzugeben.[9]
[1] OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña): Organisation für die Rechte der Garifuna
[2] Contracorriente, 18.07.24, letzter Zugriff, 05.09.25: https://contracorriente.red/2024/07/18/la-diversidad-garifuna-a-la-caza-de-su-tierra-prometida/
[3] Wa-Dani News, 03.07.24, letzter Zugriff, 05.09.25: https://wa-dani.com/comunidades-garinagu-de-la-bahia-de-trujillo-declara-reocupacion-de-territorio-ancestral-usurpado-por-randy-jorgensen/
[4] Rights Action, 10.06.24, letzter Zugriff, 05.09.25: https://rightsaction.org/emails/canadian-tourist-operators-in-honduras-charged-with-money-laundering-and-fraud-related-to-sales-of-lands-that-actually-belong-to-indigenous-garifuna-communities
[5] Rights Action, 14.02.11, letzter Zugriff, 05.09.25: https://peacewatch.blog/wp-content/uploads/2025/12/89a27-11-02-15.ofraneh.pornking26garifunacmties.art-spring-ra.pdf
[6] Criterio 13.12.15, letzter Zugriff, 05.09.25: https://criterio.hn/canadiense-una-cronologia-usurpacion-tierras-garifunas-randy-jorgensen/
[7] Contra Corrientes, 17.03.25, letzter Zugriff, 05.09.25: https://contracorriente.red/2025/03/17/organizaciones-internacionales-exigen-justicia-por-la-explotacion-ilegal-de-tierras-garifunas-vinculada-al-canadiense-randy-jorgensen/
[8] Criterio, 02.07.24, letzter Zugriff, 05.09.25: https://criterio.hn/intensifican-asedio-e-intimidacion-contra-garifunas-en-la-bahia-de-trujillo/
[9] Amerika21, 17.04.24, letzter Zugriff, 05.09.25: https://amerika21.de/2024/04/269180/honduras-garifuna-landrueckgabe