Herzen voller Mut

Die harsche Realität von Menschenrechtsverteidiger*innen in Honduras

Artikel von Benjamin, internationaler Menschenrechtsbegleiter von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Francisco Morazán, Honduras. 2024

Wer in Honduras für seine Rechte kämpft, lebt gefährlich. Allein im letzten Jahr fanden 24 Menschenrechtsverteidiger*innen einen gewaltsamen Tod.[1] Der kleine zentralamerikanische Staat gilt seit Jahren als eines der gefährlichsten Länder überhaupt für Verteidiger*innen von Territorium, Land und Umwelt. Wer dem Tod entgeht, leidet oft unter anderen Repressalien wie Todesdrohungen, Kriminalisierung, missbräuchliche Justizverfahren, verbale Einschüchterungen, Belästigungen, Zwangsräumungen, Überwachung, Inhaftierung, Folter oder lästigen bürokratischen Auflagen. Oftmals sind nicht nur die Verteidiger*innen selbst, sondern auch Ihre Familien davon betroffen. Wenn nicht direkt, dann indirekt durch eine hohe psychische Belastung. Als Menschenrechtsbegleiter mit Peace Watch Honduras erlebt man diese harsche Realität mit einer gewissen Distanz, aber teils trotzdem sehr persönlich. Wie dies in der Praxis aussehen kann, versuche ich anhand meiner Erlebnisse in den letzten vier Monaten im Feld zu beschreiben.

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Die Afrikanische Ölpalme: Von der exotischen Kulturpflanze zur globalen Industrie

Artikel von Akira Lozano, internationale Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

In einer Reihe von vier Artikeln werden verschiedene Aspekte der afrikanischen Ölpalme beleuchtet: vom Ursprung über die Ausbreitung zu den globalen Auswirkungen und den Menschenrechtsverletzungen, die mit dem Anbau einhergehen. Dieser Artikel ist der erste der Reihe.

Die afrikanische Ölpalme, eine Pflanze, die in den tropischen Wäldern Westafrikas beheimatet ist, hat es von bescheidenen Anfängen bis zu einer der weltweit führenden Quellen für pflanzliches Öl gebracht.

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Abtreibung in Honduras: Eine indigene Frau verklagt den Staat Honduras vor der UNO in Genf

Artikel von Anselma, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Fausia wurde 2015 in Honduras vergewaltigt und schwanger. Ihr wurde nicht nur unglaubliche physische und psychische Gewalt angetan, sondern sie wurde auch gezwungen, das Kind zu behalten und auszutragen. In Honduras ist dies kein Einzelfall, denn ein Schwangerschaftsabbruch ist hier unter allen Umständen verboten.

Sogar bei Vergewaltigung, Inzest, Missbildung des Fötus oder Gefährdung des Lebens der Frau verbietet es das honduranische Recht, eine Schwangerschaft abzubrechen.[1] An einer Pressekonferenz im April 2024 in Tegucigalpa erfuhren wir von dem erschütternden Schicksal einer jungen indigenen Frau: Fausia (fiktiver Name) wurde 2015 in Honduras von zwei Männern angegriffen, vergewaltigt und geschwängert. Sie hatte keinen Zugang zur “Pille danach”, denn diese war damals noch verboten.[2]

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Das Waldbrandproblem in Honduras und die Wichtigkeit der Präventionsarbeit

Artikel von Akira, nationale Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Tegucigalpa, die Hauptstadt von Honduras und seit meiner Geburt mein Zuhause, kämpft bedauerlicherweise mit einer täglich zunehmenden Luftverschmutzung. Jeden Morgen empfinde ich ein Gefühl der Schwere und des Unbehagens, wenn ich auf die in einen verheerenden Dunst gehüllte Stadt blicke. Es ist an der Zeit zu handeln. Nicht nur um unsere Stadt, sondern um die gesamte Umwelt um uns herum zu schützen.

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Was machst du da genau als Menschenrechtsbegleiterin in Honduras?

Artikel von Anselma, internationale Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Francisco Morazan, Honduras

Seit sechs Wochen lebe ich in Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras und arbeite als freiwillige Menschenrechtsbegleiterin für Peace Watch Switzerland (PWS). Erste Einsätze führten mich bereits quer durch das Land, in den Norden und an die Küste im Süden. “Aber, was machst du denn da genau als Menschenrechtsbegleiterin?” wurde ich von meiner Familie und Freunden vor meiner Abreise häufig gefragt.

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Bürgerbeteiligung in Aktion am Cabildo Abierto in Reitoca

REITOCA ERHEBT SEINE STIMME GEGEN DEN EXTRAKTIVISMUS

Artikel von Benjamin, internationaler Menschenrechtsbegleiter von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Francisco Morazán, Honduras

Am vergangenen ersten März wurde das kleine Dorf Reitoca im südhonduranischen Departement Francisco Morazán erneut zum Schauplatz eines Cabildo Abierto (Bürgerversammlung). Mehrere hundert Bewohner aus dem Dorf und der Umgebung versammelten sich im Rathaus, um ihre demokratischen Rechte als honduranische Staatsbürger wahrzunehmen und ihre Gemeinde für frei von extraktiven Projekten zu erklären. Erklärungen dieser Art machen immer wieder deutlich, dass die Art und Weise, wie Entscheidungen über den Bau von Bergbau- und Wasserkraftprojekten getroffen werden, überdacht werden müssen. Sie zeigen auch, dass der Wille der Bevölkerung in Honduras oft weiterhin ignoriert wird.

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Porträts von mutigen Frauen

Artikel von Mónica, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von PWS in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Ich blicke in den klaren Himmel und dann nach unten, wo ich die Spiegelung der Wolken auf der ruhigen Oberfläche des Flusses entdecke. Dieser Ort hat etwas Magisches an sich. Alles, was ich um mich herum sehe, ist durchdrungen von Hunderten von Geschichten – aus der Kindheit, vom Kampf und von der Liebe für das Land und seine Ressourcen.

Ich beobachte weiter, höre zu und sauge die Energie des Ortes auf, während ich den Kaffee trinke, den Rebecca für mich zubereitet hat. Wenn sie anwesend ist, nimmt sie sich immer Zeit für mich. Auch an arbeitsreichen Tagen hat sie immer Zeit, mich beim Fluss mit einer Tasse Kaffee in der Hand zu begrüssen.

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“Gemeinsam sind wir stärker”

Proteste der Volksereinigung von Bäuerinnen, Bauern und Indigenen von Honduras in Tegucigalpa.

Artikel von Elvia, honduranische Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras. Dezember 2023.

Am vergangenen 20. November wurde die honduranische Hauptstadt Tegucigalpa zum Epizentrum eines beispiellosen Protests, angeführt von der Volksvereinigung der Bäuerinnen, Bauern und Indigenen und der Bewegung für Würde und Gerechtigkeit. Mehr als 12 bäuerliche und indigene Organisationen aus dem ganzen Land beteiligten sich an der Demonstration, an der Hunderte von Menschen teilnahmen.

Die beeindruckende Zahl von über 1000 Teilnehmenden an der Demonstration symbolisiert nicht nur eine beeindruckende zahlenmäßige Stärke; die ländliche Bevölkerung hat für diese Kundgebung auch ein grosses, eigenes Opfer gebracht. Um die Tragweite dieses Protestes zu verstehen, muss man sich in die tägliche Realität der bäuerlichen Bevölkerung versetzen, deren Arbeitszeiten eng mit dem Lebensunterhalt und der Nach-haltigkeit ihrer Gemeinschaften verbunden sind.

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Honduras hat mich viel gelehrt

Suyana, internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras

Tegucigalpa, Honduras

Meine Zeit als Menschenrechtsbegleiterin für PWS in Honduras ist bald zu Ende, doch die Eindrücke bleiben. Der Austausch mit Menschenrechtsaktivist*innen hat mir die Konsequenzen meines Handelns als Konsumentin in der Schweiz verdeutlicht und mir meine privilegierte Position ins Bewusstsein gerufen.

Nach sechs Monaten in Honduras habe ich viele beeindruckende, aber auch bedrückende Erfahrungen gesammelt. Es ist schwer zu begreifen, dass beispielsweise auf der Halbinsel Zacate Grande die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keine Eigentumstitel für ihr Land hat, auf dem sie wohnen und das sie bewirtschaften – und dies obschon das Land seit vielen Generationen in ihrem Besitz ist. Dagegen sind offenbar einflussreiche Familien, die erst später zugezogen sind, auf undurchsichtige Weise zu den angeblichen Eigentumstiteln gelangt.

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Vertreibungen. Die Verteidigung von Land und Gemeingüter schlägt tiefe Wunden

Artikel von Elvia, nationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras

Kürzlich hatte ich bei einer meiner Menschenrechtsbegleitungen die Gelegenheit, einen bekannten Aktivisten der Ethnie der Tolupanes im Departement Yoro zu treffen. Während wir über seinen Kampf in dem Gebiet sprachen, erzählte er mir: “Meine Familie und ich wurden vor mehreren Monaten aus unserer Gemeinde vertrieben. Wegen der Verteidigung des Gebiets wurde ich mit dem Tod bedroht. Das hat uns vertrieben.» Als ich das Wort “vertrieben” hörte, fühlte ich einen Kloss im Hals. Welche Worte kann man für diejenigen finden, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um ihr Leben und dasjenige ihrer Familien zu retten? Leider war dieser Aktivist an diesem Tag nicht die einzige Person, die ich in dieser Situation antraf.

In den Gebieten des Widerstands, in denen sich Gemeinschaften mutig zusammenschliessen, um ihr Land und ihre Gemeingüter zu verteidigen, gibt es eine stillschweigende Tragödie, welche die Gemeinschaften und ihre Aktivisten stark betrifft: die Zwangsvertreibung.

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