Es ist eine Realität, dass das Coronavirus eine Pandemie ist, welche die Benachteiligten am meisten trifft. Wer eingesperrt zu Hause bleiben kann, hat eine Reihe von Privilegien, welche die Mehrheit der Menschen in der Welt nicht hat. Viele Honduraner*innen kennen diese Realität sehr gut – Personen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag leben – dem Geld, welches sie mit dem Verkauf auf der Straße (Baleadas, Saft, Früchte, Tortillas usw.) verdienen.
Auch über die Realität von Migrant*innen, die täglich durch Choluteca reisen, wird wenig ge-sprochen. Die Stadt liegt im Süden von Honduras, nahe der Grenzen zu Nicaragua und El Salvador. Choluteca ist daher ein günstiger Ort für Migrant*innen, die von den Inseln der Karibik (Haiti und Kuba) und aus verschiedenen Ländern Afrikas kommen. In der jetzigen Zeit der Pandemie werden sie dort “festgehalten” und warten, in der Hoffnung, dass sie von der Migrationsbehörde einen Passierschein erhalten, der es ihnen erlaubt, ihre Reise Richtung Nordamerika fortzusetzen. Wann sie weiterkommen, wissen sie nicht, weil eine Ausgangssperre herrscht, die meisten staatlichen Institutionen im Augenblick nicht funktionieren und Honduras ausserdem mit der Regierung von Donald Trump ein Abkommen unterschrieben hat, welches den Staat als sicheres Land einstuft [1].

© PWS 2020
Am 30. März dieses Jahres fuhren Mitglieder des Netzwerks von Anwältinnen zur Verteidigung von Menschenrechten (Red de Abogadas Defensoras de Derechos Humanos) [2], zu der Stelle in Choluteca, wo sich die MigrantInnen aufhalten. Sie trafen dort insgesamt 97 Personen, davon 50 Männer und 47 Frauen, 24 Personen aus Afrika und 73 aus Haiti, unter ihnen 14 Kinder im Alter von zwischen sechs Monaten und drei Jahren, sowie sechs schwangere Frauen. Alle waren veräng-stigt, nicht organisiert und in einigen Fällen ohne Spanischkenntnisse. Die Anwältinnen identifizierten drei Problemfelder: Wo sollten sich die Migrant*innen während der Zeit der Quarantäne aufhalten können – insbesondere dann, wenn sie kein Geld für weitere Mieten hatten? Wie konnte die Gewalt gegen diese Menschen von Seiten der Polizei, aber auch von Ver-mieter*innen gestoppt werden? Wie konnten die Verletzlichsten – Kinder und schwangere Frauen – betreut werden?
Das Netzwerk der Anwältinnen wandte sich an verschiedene Akteure, um eine Lösung zu finden: Die Organisation der Schwarzen in Honduras (Oganización Fraterna de Negros en Honduras OFRANEH), das Rote Kreuz, die Wohnstätte der Hoffnung (Hogar de la Esperanza), aber auch regierungsnahe und Institutionen wie die Nationale Familienorganisation (DINAF) und staatliche Akteure wie die Gemeindeverwaltung von Choluteca und die nationale Polizeieinheit in der Stadt. Die Migrant*innen, die sich eine Miete leisten konnten, durften in die Wohnungen und Zimmer zurück, die sie vorher gemietet hatten. Migrant*innen ohne Ressourcen sollten in der Wohnstätte der Hoffnung unterkommen. Es wurden Lebensmittel und Kleider gesammelt und verteilt, und schwangere Frauen und Kinder erhielten medizinische Versorgung. Schließlich präsentierte das Netz der Anwältinnen über soziale Medien öffentliche Klagen gegen die Polizisten, die gewaltsam gegen MigrantInnen vorgegangen waren.

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Tegucigalpa, Mireia Izquierdo und Daniel Stosiek, 12. April
[1]Honduras unterschreibt Abkommen über Einstufung als sicheres Land: https://criterio.hn/familiares-de-migrantes-desaparecidos-presentan-recurso-de-amparo-contra-acuerdo-de-tercer-pais-seguro/
[2] PWS begleitet das Netzwerk der Anwältinnen in verschiedenen Gerichtsfällen.
Legende zum Titelbild: Kleidersammlung für Migrant*innen © PWS 2020