Die Ereignisse in El Guayabo und Bella Unión haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Am frühen Morgen des 24. April 2016 kam es in den Gemeinden El Guayabo und Bella Unión zu Hausdurchsuchungen sowie einer Verhaftung. Die Hausdurchsuchungen fanden in den Häusern und Fincas von vier Führungsmit-gliedern (leader) der Gemeinden statt. Nur einer der leader, Álvaro García, hielt sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung in seinem Haus auf. Er wurde verhaftet und noch am selben Tag nach Barrancabermeja gebracht. Ihm wird unter anderem illegaler Besitz und Herstellung von Waffen sowie organisierte Kriminalität vorgeworfen. Die Anschuldigungen gründen auf Vorkommnissen vom Oktober und Dezember 2014, als es zu einer von starker Polizeipräsenz begleiteten Räumung einer Finca kam (siehe Infos dazu auf diesem Link (englisch)). Ob die anderen drei leader ebenfalls zur Verhaftung ausgeschrieben wurden, war zu diesem Zeitpunkt unklar.
Wir hatten die Möglichkeit, Álvaro am Tag der Verhaftung im Gefängnis zu besuchen. Es ging ihm den Umständen entsprechend gut. Mittlerweile wissen wir, dass er für die ihm zur Last gelegten Verbrechen bis zu acht Jahre Gefängnis verurteilt werden könnte. Obwohl die Anschuldigungen haltlos sind, ist zu bedenken, dass die kolum-bianische Justiz leider oft auf der Seite der Mächtigen und Reichen steht. Deshalb wurde mit Álvaros Verteidigung ein erfahrener Strafrechtler beauftragt.
Am 25. April 2016 reisten wir nach El Guayabo und Bella Unión. Am Abend erfuhren wir durch die Anwälte der Gemeinden, dass nun auch für die anderen drei leader formale Haftbefehle ausgestellt worden seien. Um zu verhindern, unter falschen Anschuldigungen verhaftet zu werden, und weil die Anklagepunkte nicht genau bekannt sind, haben es die drei vorgezogen unterzutauchen, bis die Anwälte das vermeintliche Beweismaterial gesichtet haben. Wo sich die drei zurzeit aufhalten, ist nicht bekannt. Fakt ist, dass sie nicht bei ihren Familien sein können und auch nicht ihren täglichen Arbeiten nachgehen können. Jetzt, da die Regenzeit beginnt, stünde mehr als genug Arbeit an.
Solche Aktionen wie Hausdurchsuchungen, Verhaftungen etc., verunsichern die Mitglieder der Gemeinschaft stark, andererseits ist auch eine grosse Solidarität spürbar. Als Rodrigo Lopez Henao z.B. tags darauf den Grenzzaun von seinem ver-meintlichen Grundstück und dem, eines der Flüchtigen durchtrennt hatte, um sein Vieh darauf weiden zu lassen, organisierten die Frauen von El Guayabo kurzerhand die Vertreibung der Tiere und die Reparatur des Zauns. Natürlich war es kein Zufall, dass Rodrigo diesen Zeitpunkt für seine Missetat gewählt hatte. Ganz klar zielte er darauf ab, die Ehefrau des Betroffenen zu schikanieren. Übrigens war der Zaun am nächsten Tag wieder durchtrennt…
Die Frauen unterwegs, den durchtrennten Zaun zu reparieren. ©Sibylle Schaffhauser, 2016
Am 5. Mai 2016 reisten Gemeindemitglieder aus El Guayabo, Bella Unión, el Garzal und Nueva Esperanza nach Barrancabermeja, um vor dem Gerichtsgebäude eine friedliche Kundgebung abzuhalten. Die Gemeindemitglieder forderten zusammen mit nationalen und internationalen Organisationen mehr Transparenz und Fairness von den Behörden. Sie verlangten, dass ihre Rechte als KleinbäuerInnen und respektiert werden und die Anschuldigungen, sie hätten Verbindungen zur Guerilla, endlich aufhören.
Danach fuhren die Gemeindemitglieder zum Gefängnis, wo Álvaro García inhaftiert ist, um ihr Mitgefühl zu zeigen. Da ihnen der Einlass verwehrt wurde, bekundeten sie ihre Solidarität via Megafon, in der Hoffnung, dass Álvaro sie hören könne. (Video ©Sibylle Schaffhauser und Monika Stucki, 2016)
https://www.facebook.com/Peace-Watch-Switzerland-117841614934814/
Auch nationale Medien waren anwesend und berichteten über die Kundgebung, siehe z.B. Enlace Television.com und Vanguardia.com.
Monika Stucki und Sibylle Schaffhauser, Barrancabermeja, 6. Mai 2016