Artikel von Mireia Izquierdo Prado, Einsatzkoordinatorin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras.
Übersetzt ins Deutsche von Heide Trommer, internationale Menschenrechtsbegleiterin mit PWS.
Tegucigalpa, Honduras, im Februar 2022
Oft wird (vor allem in Europa)angenommen, dass Photovoltaik-, Wind-und Wasserkraftprojekte „saubere Energie“ erzeugen. Tatsächlich aber führen sie sowohl zu negativen Folgen im ökologischen Bereich, der für die Erhaltung der biologischen Vielfalt von grundlegender Bedeutung ist, als auch zu Menschenrechtsverletzungen, unter anderem zur Enteignung von Land und Territorien der dort lebenden Gemeinschaften. Außerdem schränken solche Projekte das Recht auf Zugang zu Wasser ein, wie uns die von PWS begleitete Y.A.berichtet: „In meiner Gemeinde wurde vor mehr als drei Jahren ein Photovoltaik-Park installiert, inzwischen leiden wir unter den Folgen. Wir bekamen große Probleme mit der Wasserversorgung. Inzwischen gibt es nur noch alle acht Tage Wasser. Unsere Wasserbecken sind klein, wir können das Wasser nicht speichern, bis acht Tage später wieder Wasser kommt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Wasser eine lebenswichtige Flüssigkeit ist.“
PWS begleitet das Red de Abogadas Defensoras de Derechos Humanos, ein 2017 gegründetes Kollektiv von 9 Frauen, die meisten von ihnen Anwältinnen, die sich für die Verteidigung, Beratung und Durchführung strategischer Gerichtsverfahren für bedrohte Menschen und Opfer von Menschenrechtsverletzungen – zumeist durch Rohstoffunternehmen und skrupellose Geschäftsleute, die sich gemeindeeigene Gebiete aneignen – einsetzen.
Das Red de Abogadas hat die juristische Vertretung der Bürger*innender Gemeinden Prados und Costa Azul im Bezirk Namasigüe (Choluteca) übernommen, die gegen die Auswirkungendes Photovoltaik-Megaprojekts Los Prados kämpfen, PWS bietet ihnen internationale Begleitung an.
„Die Genehmigung dieses Energieprojekt durch den Nationalkongress am 20. Januar 2014 weist Unregelmäßigkeiten auf, und zwar wegen neun Lieferverträgen für den Betrieb von Photovoltaikanlagen zugunsten von neun Unternehmen, die wiederum ein einziges Energieprojekt mit der Bezeichnung Megaproyecto Fotovoltaico Los Prados bilden”, so das Red de Abogadas.
Das Problem konzentriert sich auf die Gemeinden, in denen das Projekt angesiedelt ist: Prados 1 und 2, Costa Azul, Rancherías und Guamerú, die alle zum Bezirk Namasigüe gehören. Deren Einwohner*innenwehren sich vor allem deswegen gegen das Projekt, weil es durch die Austrocknung der Wasserquellen und einen Temperaturanstieg die Umwelt stark schädigt (in diesen Gemeinden herrscht ein sehr heißes Klima, in der Trockenzeit werden Temperaturen von mehr als vierzig Grad Celsius erreicht).
Im Jahr 2015 wurden Maschinen des Unternehmens in die Gemeinden Prados 1 und 2 gebracht, um auf mehreren Hektar Land Bäume zu fällen und so Raum für die Installation einer Photovoltaik-Megaanlage zu schaffen. 2016 installierte das Unternehmen die Solarpaneele in Rancherías, ohne Rücksicht auf den Willen der lokalen Bevölkerungzu nehmen,und dehnte die Photovoltaik-Paneele auf die umliegenden Gemeinden aus. Dies führte zueiner sofortigen Ablehnung des Projektes durch die lokale Bevölkerung, die sich organisierte, und zwei Mahnwachenfür ihr Land und ihre gemeinsamen Güter aufbaute.
„Der Widerstand gegen dieses Projekt verstärkte sich am 4. Januar 2016 in der Gemeinde Rancherías. 33 Personen kriminalisiert wurden. 17 von ihnen wurden wegen Nötigung, rechtswidriger Amtsanmaßung und Beschädigung angeklagt, eine Person wurde getötet und zwei Personen waren gezwungen, aufgrund von Drohungen gegen ihre physische und psychische Unversehrtheit aus dem Land zu fliehen“, so das Red de Abogadas. 2018 wurden die Widerstandslager nach einem Gerichtsbeschluss geräumt.
Eines der beteiligten Unternehmen ist das norwegische Scatec Solar (Scatec Solar Honduras S.A.). Das Red de Abodagas hat Belege für Korruption bei der Erteilung der Genehmigungen für die Installation der Photovoltaikanlagen dokumentiert.
Im August 2021 erhielt das Red de Abogadasein Schreiben von Scatec, in dem das Unternehmen erklärte, dass es sich stets „um einen Dialog bemüht hat, um konstruktive und dauerhafte Lösungen zusammen mit den lokalen Gemeinden im Umfeld des Werks Los Prados zu finden, und zwar im Rahmen einer Bürgerversammlung am 10. April 2014.“ (…) Außerdem „unterstützte laut einer Umfrage zur lokalen Beschäftigung, die 2017 vor dem Verfahren durchgeführt wurde, die Mehrheit der Gemeinden das Projekt.”
Diese Aussagewurden vom Red de Abogadasin einem Schreiben an das Unternehmen Scatec am 6. Dezember 2021 dementiert. Die Anwältinnen betonten, dass “das Unternehmen Scatec Solar zu keinem Zeitpunkt einen offenen Dialog zwischen den Bürger*innen der Gemeinde Namasigue und dem Red de Abogadasals gesetzlicher Vertreter in der Gemeinden und der kriminalisierten Personen gesucht hat. Für uns bleibt klar, dass sich die betroffenen Gemeinden weiterhin gegen die unrechtmäßige Installation des Photovoltaikprojekts wehren, das etwa 9 Photovoltaikprojekte unter den Namen Energías Solares S.A., Fotovoltaica Sureña, Generación Energética, Fotovoltaica Los Prados, Foto Sol zusammenfasst; die letzten vier Projekte sind noch nicht in Betrieb (Los Ángeles Fotovoltaica, Solares del Sur, Energía Solo Sol, Soluciones Energéticas)”.
Das Red de Abogadas bestreitet auch, dass dasUnternehmen Scatec eine öffentliche Bürgerversammlung durchführte. Tatsächlich war es die Bevölkerung selbst, die am 18. November 2019 eine Bürgerbefragung organisierte und an der die Anwältinnen des Netzwerks als Beobachterinnen teilgenommen haben. Von den 15.000 registrierten Personen nahmen 11.992 teil. 11.673 stimmten mit NEIN, 78 mit JA, 150 gaben einen leeren Stimmzettel ab und eine Stimme war ungültig. Damit haben 97,2 % der betroffenen Bevölkerung ihr NEIN zu den Photovoltaik-Projekten von Scatec Solar und zu allen anderen extraktivistischen Projekten erklärt. Dies macht deutlich, dass die Gemeinden diese Art von Projekten ablehnen.
Die überwältigende Ablehnung von Photovoltaik-und Bergbauprojekten durch die Gemeinden wurde am 13. August 2021 bekräftigt, als der Gemeinderat von Namasigüe in einer offenen Bürgerversammlung unter Beteiligung der Einwohner*innen die Gemeinde Namasigüeals frei von ZEDE-, Bergbau-und Photovoltaikprojekten erklärte.
Das Red de Abogadasweist des Weiteren daraufhin, dass das Unternehmen im Jahr 2020 eine Klage auf Einstellung des Strafverfahrens unter dem Vorwand eingereicht hat, sich mit den kriminalisierten Dorfbewohner*innen, zu deren eigenen Bedingungen einigen zu wollen.
Dies wird nun nicht mehr geschehen, da „das Unternehmen schwere Menschenrechtsverletzungenbegangen und den Betroffenen emotionale und psychologische Schäden zugefügt hat. In diesem Fall wird nun das Berufungsgericht entscheiden, denn dort haben die Anwältinnen Antrag auf ein Revisionsverfahren im Fall der 10 Gemeindemitglieder, die nach wie vor kriminalisiert werden, gestellt. Unsere Begründung lautet, dass diese Gerichtsverfahren unangemessen sind, denn sie basieren allein auf der Tatsache, dass die Gemeindemitglieder ihr Territorium, ihre natürlichen Ressourcen, ihren Lebensraum und ihre Wasserquellen verteidigt haben. Sie wurden Opfer von Stigmatisierung und Kriminalisierung, und das Unternehmen Energía Solar beabsichtigt mit seinen haltlosen Anschuldigungen, die Mitglieder der Gemeinschaft in der Öffentlichkeit als Kriminelle darzustellen”.
In diesem Zusammenhang begleitet PWS das Red de Abogadas Defensoras de DDHH und die kriminalisierten Gemeindemitglieder von Prados und Costa Azul ein, damit sie ihre Territorien und Gemeingüter rechtmäßig verteidigen können und ihre Meinungsäusserungen bezüglich Photovoltaik-, Wasserkraft-, Bergbau- oder ZEDE-Projekten Gehör finden.