Kampf um Gerechtigkeit der Ixiles geht weiter

Genozidverfahren ohne Ende schreitet voran
Am 16. März 2016 lädt das Gericht zum 5. Mal zur mündlichen Debatte des Völkermordverfahrens gegen Ex-Diktator José Efraín Ríos Montt und  den ehemaligen Chef des militärischen Geheimdienstes, José Mauricio Rodríguez Sánchez.

Begleitung der Ixiles ans Gericht
Letzte Woche hatte ich die Ehre, eine Gruppe des Ixil Volkes ans Gericht zu begleiten und kennen zu lernen. Die Ixiles sind bekannt für ihre stark ausgeprägte indigene Identität und ihren jahrhundertelangen Widerstand. Ihre Kultur prägt sich aus durch die starke Verwurzelung mit ihrer Erde und dem Prinzip von Komplementarität zwischen allem: Mutter und Vater, Himmel und Erde, Berg und Tal und ihren „Tierras Calientes“ y „Tierras Frias“. (Erde auf Sonnen und Schattenseite, die unterschiedliche Ernten zu unterschiedlichen Zeiten bringen.)

In konstanten Widerstand hielt sich dieses Maya-Volk gegen auferzwungene Assimilation von der Kolonialisierung durch die Spanier über die katholische Missionierung, die Ausbeutung der in- und ausländischen Landbesitzer bis hin zum guatemaltekischen Militär im bewaffneten Konflikt von 1960-1996 und in den letzten Jahren gegen die Niederlassung von multinationalen Konzernen zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen.

Gerade aufgrund ihres Widerstands in den Kriegszeiten wurde die gesamte Bevölkerung zur Zielscheibe des Militärs und die Familien, die in den Bergen verblieben, um ihrem Land nahe zu bleiben, wurden verfolgt, auseinandergerissen, vergewaltigt, geschändet und ermordet oder in sogenannte „Modell-Gemeinden“ zur Assimilation unter militärischer Kontrolle verbracht. Mit anderen Worten: das guatemaltekische Militär verübte Völkermord an ihnen. Vor über 10 Jahren wurde deswegen ein Verfahren gegen die verantwortlichen Militärs eingeleitet. Im Jahre 2013 wurde Ríos Montt verurteilt – jedoch wurde das Urteil zehn Tage später aufgrund einer der unzähligen Einsprachen der Verteidigung mit knapper Mehrheit 3 zu 2 aufgehoben und das Verfahren auf den Beginn zurückversetzt.

Verlauf des Verfahrens
Nun wurde am 16. März 2016 das Verfahren endlich fortgesetzt. Es ist das 5. Mal (das erste Mal oben erwähntes Verfahren 2013, 5. Januar 2015, 23. Juli 2015 und 1. Januar 2016 waren die Vorgänger), dass zur mündlichen Debatte vorgeladen wird.
Siehe: Wiederaufnahme des Genozid-Prozesses
Nur eingeladen sind dieses Mal Wenige, das Verfahren wird aufgrund des mentalen Zustandes eines der Angeklagten, des oben erwähnten Ex-Diktators, unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Nach formellen Abklärungen und Diskussionen über Einsprachen der Nebenkläger (diverse Menschenrechtsorganisationen führen die Anklage neben der Staatsanwaltschaft mit) sowie der Verteidigung ordnet die Gerichtspräsidentin die MedienvertreterInnen an, den Saal zu verlassen. Überraschenderweise dürfen wir internationalen BeobachterInnen anwesend bleiben – mit der Begründung, dass wir den engsten Kontakt zu den Überlebenden und ZeugInnen pflegen. Die MedienvertreterInnen protestierten von draussen gegen diesen Entscheid. Sie hielten Plakate ans Fenster mit Aufschriften wie „Ich bin auch Opfer“ und Aufrufen zum Recht der Medienfreiheit.

Die ersten Verhandlungstage zeichneten sich durch starke Anspannungen zwischen der Gerichtspräsidentin und der Verteidigung als auch der Ankläger aus. So wiederholten die Kläger die Einsprache gegen die Fortführung des Gerichtsverfahrens gegen den dementen Ríos Montt zusammen mit dem gegen den mental gesunden damaligen Chef des militärischen Geheimdienstes Rodríguez Sánchez mit der Begründung, dass Ersteres ein Spezialverfahren hinter verschlossenen Türen sei, während das zweite ein ordentliches Verfahren darstelle, zu dem der Zugang der Öffentlichkeit ein international anerkanntes und historisch verwurzeltes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sei. Daher bezeichnen sie die Fortführung eines einzigen Prozesses als „illegales Verfahren“. Während dieser Einspruch noch vor dem Verfassungsgericht (höchste juristische Instanz des Landes, welche in Sachen, die die Verfassung Guatemalas betreffen, entscheidet) bleibt, spricht sich die Gerichtspräsidentin dagegen aus und führt das Verfahren unbeirrt fort. Das Problem dabei ist, dass dieser Einspruch sowie 4 weitere (1 der Ankläger und 3 der Verteidigung) noch vor dem Verfassungsgericht ausstehen und das Verfahren bei Zustimmung des Richtergremiums erneut auf das Datum der Eingabe des jeweiligen Einspruchs zurückversetzen würden.

Es bleibt abzuwarten, wie diese Einsprüche entschieden werden und wie das Verfahren fortläuft. Eine wichtige Änderung, die sich bemerkbar macht, ist die Konzentration auf den zweiten Angeklagten Rodríguez Sánchez, der im Gegensatz zum Aufruhr um den Ex-Präsidenten und späteres Kongressmitglied Ríos Montt etwas unterging – trotz der essentiellen Rolle, die er als Höchstrangiger des militärischen Geheimdienstes in der Zeit der stärksten Repression gegen das Ixilvolk 1982-83 mit dem „Plan Sofía“ spielte. Die ersten zwei Tage waren der Lektüre eines grossen Teils dieses militärischen Dokuments gewidmet – um die ZeugInnenaussagen zu untermauern und die Verantwortlichkeitskette und die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Rängen der Patrullen und Kommandanten nachzuweisen.

Laura Kleiner, Guatemala-Stadt, 2. April 2016

 

 

 

 

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