Am 6. Mai 2016 berichteten wir über die Verhaftung des Leader Álvaro Garcia vom 24. April 2016. Álvaro ist noch immer im Gefängnis in Barrancabermeja und wartet auf seine erste Anhörung. Diese muss gemäss kolumbianischem Recht innerhalb der ersten 90 Tage nach der Verhaftung stattfinden. Bis jetzt wurde noch kein Datum bekannt gegeben.
Die Ungewissheit ist für Álvaro und seine Familie schwierig. Wegen der langen und beschwerlichen Anfahrt sowie den damit verbundenen hohen Kosten hat ihn bis anhin nur eines seiner sieben Kinder im Gefängnis besuchen können.
Sonntag ist Besuchstag im Gefängnis. Jeder Insasse kann von 10 bis 14 Uhr zwei Personen empfangen. Im vergangen Monat wurde jedoch einigen NGO-MitarbeiterInnen der Einlass verweigert, obwohl Álvaro die Besucherzahl noch nicht erreicht hatte. Als wir vorletzten Sonntag unser Glück probierten, wollte man anfangs nur eine von uns einlassen, da Álvaro die maximale Besucherzahl sonst überschritten hätte. Wegen unserer grünen Westen, die uns als Peace Watch Mitarbeiterinnen identifizieren, durften wir schliesslich aber trotzdem beide rein.
Aufgrund seines Alters ist Álvaro zusammen mit fünf anderen Insassen in einem etwas grösseren Raum untergebracht, der mit Kaffeemaschine und Fernseher ausgestattet ist. Diverse Organisationen haben sich zusammengeschlossen, um für sein Mittagessen aufzukommen, das ihm täglich vorbeigebracht wird. Das Abendessen wird vom Gefängnis zur Verfügung gestellt. Álvaro teilt uns mit, dass das Mittagessen deutlich besser sei als das Abendessen.
Am Sonntag wird Álvaros Zelle zum Besucherraum. Alle Gefangenen bringen ihre Matratze herein. Die Familienmitglieder sitzen dann entweder auf Stühlen oder den Matratzen. Der Fernseher läuft konstant. Privatsphäre gibt es keine, auch nicht für Paare, die eng umschlungen in ihren Kleidern auf den Matratzen liegen…
Álvaro geht es den Umständen entsprechend gut. Er ist davon überzeugt, dass er bald aus dem Gefängnis entlassen wird, vielleicht unter Hausarrest gestellt wird. Wir werden seine Haftentlassung wohl kaum miterleben, da wir unsere Arbeit hier im Magdalena Medio Mitte Juli 2016 abschliessen werden. Auch wissen wir nicht, ob wir Álvaro nochmals besuchen können, da wir am Sonntag oft in den Gemeinden sind. Wir verlassen das Gefängnis mit einem mulmigen Gefühl.
Während Álvaro im Gefängnis ist und die anderen drei Leader weiterhin untergetaucht sind, geht das Leben für die betroffenen Familien sowie die beiden Gemeinden weiter. Es ist eine Art Alltag eingekehrt.
Eine besondere Abwechslung hierzu war eine lang angekündigte Massenhochzeit, welche am 18. Juli 2016 in El Guayabo stattfand: Zwölf Paare liessen sich in einer zweistündigen katholischen Zeremonie trauen. Viele Paare in den Gemeinden sind weder standesamtlich noch kirchlich getraut, da oft das notwendige Geld für die Trauung und das damit verbundene Fest fehlt. Die meisten der zwölf Paare, die sich trauen liessen, lebten denn auch schon seit mehreren Jahrzenten in wilder Ehe zusammen.

Massenhochzeit in El Guayabo © Monika Stucki 2016
Es war ungewohnt, die Frauen und Männer in ihrer Hochzeitsbekleidung zu sehen. Verwandte reisten aus ganz Kolumbien an, um diesen Tag mit ihrer Familie zu teilen. Auch der starke Regen und ein kurzer Stromausfall konnten die Menschen nicht vom feiern abhalten. Für das ganze Dorf und auch für uns war es ein spezielles Erlebnis und ein sehr schöner Tag.
Sibylle Schaffhauser und Monika Stucki, Barracabermeja, 23. Juni 2016