Alternative Entwicklungspolitik im Naturschutzgebiet Guatemalas?

„Ich gehe in die Selva – in den Dschungel“, sagte ich meiner Freundin, als sie mich im September fragte, ob ich skypen könne. Regenwald habe ich aber keinen gesehen und natürlich machte ich mich nicht auf zu einer Expedition in den Dschungel sondern zu einer Menschenrechtsbeobachtung im Departement Petén im Norden Guatemalas, wo nur noch die Hitze daran erinnert, dass hier einmal Regenwald war. ACOGUATE begleitet verschiedene Gemeinden, die sich auf dem Gebiet der heutigen Naturschutzgebiete Laguna del Tigre und Sierra del Lacandón befinden bei ihrem Dialog mit den nationalen Behörden. Trotzdem beschreibt meine vereinfachende Aussage das Problem dieser Gemeinden recht genau, denn auch die staatlichen Behörden vergessen allzu gerne, dass in den Nationalpärken im Petén nicht nur schützenswerte Flora und Fauna zu finden sind, sondern auch Gemeinden mit Tausenden von Bewohnern.

Über 40 Gemeinden der Naturschutzgebiete Sierra del Lacandón und Laguna del Tigre hatten sich Ende September zusammengefunden, um dem guatemaltekischen Kongress ihren Vorschlag für eine alternative Entwicklung zu präsentieren. Seit die nationale Behörde das Areal im Jahre 1989 zum geschützten Gebiet erklärt hatte, haben seine BewohnerInnen ein Problem. Sie und ihre Gemeinden werden als Invasoren und Landbesetzerinnen behandelt, obwohl viele von ihnen schon seit den 70er- und 80er-Jahren im nun geschützten Gebiet leben. Dies hat weitreichende Folgen für ihr Leben. Die BewohnerInnen haben keinen Zugang zu Leistungen des Staates (wie Infrastruktur, Schulbildung oder medizinische Versorgung), zu wirtschaftlicher Entwicklung (weil sie keine Maschinen ins geschützte Gebiet bringen dürfen) und leben mit der ständigen Angst, gewaltsam vertrieben zu werden.

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(Bild: Der Vorschlag wird an einer Gemeindeversammlung in Nuevo Paraíso km. 107, Petén unterschrieben.)

Dies ist insbesondere deshalb stossend, weil der guatemaltekische Staat nicht überall mit gleichen Ellen misst. Während die einfache Landbevölkerung unter Repressalien leidet, wird im Naturschutzgebiet weiterhin Erdöl gefördert – die Verträge mit dem französischen Konzern Perenco wurden sogar noch erweitert. Neben der Erdölförderung finden sich auch riesige illegale Monokulturen zur Herstellung von Palmöl in den Nationalpärken. Und der florierende Drogen- und Menschenhandel wird ebensowenig wirksam unterbunden. Die Regierung will also Flora und Fauna vor seiner Bevölkerung schützen, ohne jedoch die wirtschaftliche Nutzung des Gebietes zu unterbinden. „Den Schwachen gegenüber zeigt sich [der guatemaltekische Staat] unerbittlich und demonstriert Stärke, seine wirklich mächtigen Gegner lässt er jedoch in Ruhe“, schrieb der Journalist Oscar Martínez bereits im Jahr 2011 in Bezug auf die Bauerngemeinden im Naturschutzgebiet von Petén (Zitat: Oscar Martínez, Ein Niemand im Land der Drogenbosse, 3.11.2011, in: Oscar Martínez, Eine Geschichte der Gewalt. Leben und Sterben in Zentralamerika, München 2016).

Nun haben die BewohnerInnen der betroffenen Gebiete die Initiative ergriffen und der Zentralregierung einen Vorschlag für eine integrative Entwicklung in diesen Naturschutzgebieten vorgelegt. Sie fordern darin die „permanencia perpetua“, die unbegrenzte Aufenthaltsbewilligung im Einklang mit der Natur, welche Quell des Lebens im geschützten Gebiet sei. Diese und andere Forderungen möchten sie mit den staatlichen Behörden am Verhandlungstisch erarbeiten, die „Mesa de Diálogo“ wird in diesen Tagen vorbereitet. Dieser Vorschlag wurde von verschiedensten Akteuren in Petén während mehreren Jahren ausgearbeitet, unter anderem hat sie auch Caritas Schweiz dabei unterstützt.

Wir von ACOGUATE begleiten die Gemeinden einerseits punktuell an Grossanlässen, wie der Übergabe des Vorschlages beim Kongress, oder an Versammlungen im Departement Petén. Andererseits unterstützen wir sie, indem wir sie mit unseren Botschaften vernetzen. Die politischen Akteure sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich in der Laguna del Tigre und Sierra del Lacandón eben nicht nur schützenswerter Dschungel befindet, sondern dass dort auch Menschen leben, deren Rechte nicht vergessen werden dürfen.

Mehr Information unter:

https://cmiguate.org/comunicado-comunidades-de-peten-lanzan-plan-alternativo-de-desarrollo/

https://pbideutschland.de/aktuelles/guatemala-petén-–-das-vergessene-departement-guatemalas

http://www.pbi-ee.org/fileadmin/user_files/projects/guatemala/files/spanish/Bolet%C3%ADn_La_Defensa_Del_Territorio_y_los_Derechos_Humanos_en_Petén.pdf

Cécile Bannwart, 31. Oktober 2016

Bilder:  © Cécile Bannwart 2016

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