In der guatemaltekischen Hauptstadt wird weiter an der Vergangenheit gearbeitet. Peace Watch Switzerland (PWS) begleitet das pendente Verfahren des Massakers des Dorfes “Dos Erres”. Über dreissig Jahre nachdem Bürgerkrieg versuchen Angehörige der Opfer weiterhin, ein rechtskräftiges Urteil für die Verantwortlichen aus diesem dunklen Kapitel einzufordern.
Die Vorgeschichte des aktuellen Verfahrens beginnt im Jahr 1982 im Departement Petén. Im Rahmen einer strategisch ausgerichteten Widerstandbekämpfung ist die komplette Bevölkerung eines Dorfes von einem Kommando gezielt exekutiert worden. Verschiedene Opfervereinigungen fordern nun die Wiederaufnahme des Prozesses gegen den damaligen Machthaber Efraín Ríos Montt. Der ehemalige Präsident, bereits 2012 wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und verurteilt, soll nun erneut vor Gericht erscheinen, beantragen Angehörige der Opfer des Massakers. Ríos Montt profitiert von der Tatsache, dass das guatemaltekische Verfassungsgericht das Urteil nur wenige Zeit nach dem Schuldspruch mit Verweis auf Verfahrensfehler aufgehoben hat. Seit dem letzten Jahr wird die Wiederaufnahme des Strafverfahrens von offizieller Stelle geprüft. Die Verteidigung des Ex-Generals, mittlerweile 90 Jahre, macht geltend, dass ihrem Mandanten durch seine fortgeschrittene Demenz kein Prozess mehr zugemutet werden kann. (S. dazu Blogeinträge zum Genozidprozess.) Angehörige wie Menschenrechtsorganisationen bekämpfen diesen Ansatz vehement. Die Ansage “Ni el olvido – ni el perdón” (kein Vergessen – kein Vergeben) ist allgegenwärtig in der Hauptstadt.
Das Team von PWS vor Ort beobachtet in der aktuellen Situation vorwiegend die Bemühungen und die Fortschritte in den stattfindenden Anhörungen. Die Verschiebung der letzten Anhörung durch die zuständige Richterin deutet aber nicht auf eine Beschleunigung des Verfahrens hin, das – de facto – seit vier Jahren hängig ist. Mit dem Aufschub wird der Verteidigung zusätzliche Zeit eingeräumt, um offene Punkte in der Zuständigkeit unter den Anwälten des Angeklagten zu klären. Die Neuansetzung der Anhörung steht dann auch im Gegensatz zum Antrag des Vertreters der anwesenden Opfervereinigung, die sich nun mit der Verschiebung und dem Spiel auf Zeit als faktische Verteidigungsstrategie auseinandersetzen muss. Erst der Folgetermin vom 16. November 2016 wird zeigen, ob sich nach der nächsten Anhörung letzlich ein konkretes weiteres Vorgehen des Gerichts ablesen lässt.
“Ni Olvido – Ni Perdón” geht in diesem Fall nach 34 Jahren in eine weitere Runde.
Susanne Pieren, 24. Oktober 2016