Zwischen Hoffnung und Bangen in Puerto Barrios

Die letzte Phase des Prozesses von Angélica Choc dauert nun bereits mehr als zwei Monate. Insbesondere die Verteidigung des angeklagten Mynor Padilla nutzte die Zeit der sogenannten Schlussfolgerungen, um ihre Argumente in Endlosschlaufe vorzutragen. „Jedes Argument tragen sie fünf bis sechs Mal vor. Besser gesagt, sie schreien sie“, erzählt uns die Anwältin von Angélica, Marta García, in einer Anhörungspause. „Für Angélica ist das traumatisierend.“

Trotz der bedrückenden Stimmung im Gerichtssaal lassen sich die Klägerin Angélica Choc und der Kläger German Chub nicht einschüchtern: „Manchmal macht uns die Verteidigung Angst, manchmal machen sie uns wütend“, erzählt uns German Chub, der seit den Attacken im Jahr 2009 auf den Rollstuhl angewiesen ist. „Aber dass ich nicht alleine hier bin, gibt mir Kraft. Angélica und ich, wir geben uns gegenseitig Kraft, um weiterzukämpfen.“ Angélica ergänzt: „Ich suche hier Gerechtigkeit für den Tod meines Ehemannes.“ Gleichzeitig erwähnte sie die Diskriminierung, welche diese Gerechtigkeitssuche der Maya Q’eqchi erschwert: „Als indigene Bevölkerung werden wir [in Guatemala] nie berücksichtigt. Hier gibt es keine Gerechtigkeit für uns.“

Neben den schwierigen Stunden ausserhalb des Gerichts erleben wir MenschenrechtsbeobachterInnen mit Angélica und German aber auch viele heitere Stunden, da wir zu ihrem Schutz praktisch die ganze Zeit in Puerto Barrios mit ihnen verbringen. Angélica erzählt uns Anekdoten ihrer Reisen in die Schweiz oder nach Kanada oder übersetzt uns Witze, die sie mit German auf Q’eqchi macht.

Während die Schlussfolgerungen der Verteidigung von Mynor Padilla für seine Opfer schwer auszuhalten waren, gab die darauf folgende Gegendarstellung des Staatsanwalts Grund zur Hoffnung. Angélicas zweite Anwältin, Paty Quinto, äusserte sich nach dem ersten Teil der Gegendarstellung wie folgt: „Meiner Meinung nach hat die Staatsanwaltschaft alle nötigen Beweise vorgelegt, damit die Richterin eine Verurteilung aussprechen kann.“ Angélica selbst erlebte die Gegendarstellung als retraumatisierend/bewegend: „Für mich bedeutet das, alles nochmals zu erleben.“ In zehn Tagen geht der Prozess mit der Gegen-Gegendarstellung der Verteidigung Mynor Padillas weiter. Danach werden German, Angélica sowie der Angeklagte Gelegenheit haben, sich ein letztes Mal vor dem Gericht zu äussern, bevor die Richterin ihr Urteil im Mordprozess von Adolfo Ich fällt.

Cécile Bannwart, 10. Februar 2017.

Bild: Angélica Choc und German Chub ausserhalb des Gerichts in Puerto Barrios  © Christopher Eriksson (ACOGUATE) 2017.

One thought on “Zwischen Hoffnung und Bangen in Puerto Barrios

  1. Toni says:

    Vielen Dank für diesen lebendigen Bericht! Ich kenne Angélica Choc gut. Das Guatemala-Netz Zürich hatte sie im November während ihres Aufenthalts in Genf nach Zürich eingeladen, wo sie an einem öffentlichen Auftritt teilnahm. Doch was Cécile Bannwart hier beschreibt, habe ich so noch nie so genau mitbekommen.

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