Angekommen!

Nun lebe ich seit sieben Wochen in Guatemala. Es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Ich hatte mir vorgestellt, in ein warmes, grünes Land zu reisen. Das Gegenteil traf ein. Das Hochland um Quetzeltenango, wo ich die ersten Wochen verbrachte, zeigt sich zu dieser Jahreszeit braun, ausgedorrt und mit sehr erfrischenden Temperaturen.

Doch die Freundlichkeit und Höflichkeit der Menschen in Xela, so heisst die Stadt in der Sprache der indigenen Einheimischen, hat mich sehr berührt. In einer Stadt mit über 200’000 Menschen grüsst man sich auf der Strasse! Was für ein Widerspruch  zur verdeckten und offenen Gewalt, welche das Leben der Guatemaltekinnen und Guatemalteken auch prägt.

Am  PLQ (Proyecto Lingüístico Quetzaltenango) büffelte ich nicht nur Grammatik und Vokabeln. Die Zeit war eine ideale Vorbereitung auf den kommenden Einsatz mit ACOGUATE. Das PLQ wurde 1988, noch während dem blutigen Bürgerkrieg, von einem Kollektiv engagierter SpanischlehrerInnen  gegründet. Sie wollten AusländerInnen nicht nur Spanisch beibringen, sondern auch ein Gespür für die gesellschaftlichen und politischen Realitäten vermitteln. Mit dem Gewinn werden Projekte gefördert, welche die Lebensumstände der bedrängten indigenen Bevölkerung verbessern. Diesem Gedanken ist die Schule bis heute treu geblieben. Entstanden ist eine lebendige Sprachschule, die ca. 30 Lehrerinnen und Lehrern ein angemessenes Einkommen sichert. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn Lehrkräfte werden hier ausgesprochen schlecht bezahlt. Gezielt fördert das PLQ heute die Bildung Jugendlicher im ländlichen Raum. Die Mountain School, ein weiteres Projekt des PLQ, ermöglicht zahlreichen Familien den dringend benötigten Beitrag zum kargen Einkommen.

Die regelmässigen  Vorträge und Ausflüge am PLQ brachten mir unterschiedlichste Facetten der Geschichte und des politischen und sozialen Alltags näher. Die Klischees sind verblasst – heute habe ich mehr Fragen als zu Beginn. Aber ich beginne die Komplexität, Vielfalt und Schönheit dieses „reichen“ Landes mit neuen Augen zu sehen und zu schätzen.

Ich bin Guatemala angekommen – liebe auf den zweiten Blick!

4. März 2017, Andreas Koller

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