KOLUMBIEN. Berraca ist das kolumbianische Wort für „starke Frau“. Es steht für alles was Frauen hier in den letzten Jahren durchmachen mussten und vor allem dafür, dass sie trotzdem weiter kämpfen. Für ihre Rechte, für Ihre Familie, für Ihre Würde.
Starke Frauen treffen wir hier an jeder Ecke. Frauen, deren Männer umgebracht wurden. Frauen, deren Söhne bei den Guerilla, Paramilitärs, Drogendealer sind. Häufig sind auch zwei Söhne aus der gleichen Familie in zwei verfeindeten Gruppen. Frauen, die Gewalt erfahren haben. Die mit ihrer Familie flüchten mussten, die von heute auf morgen alleine im Leben standen weil ihr Partner verschleppt wurde.
Frauen, die sich, trotz all dem Unrecht welches Ihnen widerfahren ist, zusammen tun, aktiv werden, laut sind, sich nicht einschüchtern lassen.
Kolumbien ist ein Land das vom Machismo beherrscht wird. Sobald ein Mann anwesend ist, plustert dieser sich auf, macht klar, er hat das Sagen. Dass Frauen ihre Männer um Erlaubnis bitten müssen, um ins nächste Dorf zu gehen, ist keine Seltenheit. Und trotzdem haben viele Frauen ihren Weg gefunden im Stillen, neben dem Ego ihres Partners (oder grade diesem zum Trotz) laut zu sein. Für ihre Rechte zu kämpfen, und dabei den Männern weiterhin das Gefühl zu geben, sie sind Herr der Lage.
In eine der Gemeinden, die wir begleiten, mussten 2016 (wie in diesem Blog berichtet) 3 Männer Hals über Kopf für 6 Monate untertauchen. Einer von ihnen wurde festgenommen und war 18 Monate im Gefängnis. Nachdem die Männer weg waren, waren die Frauen zerstört, hilflos, ratlos, alleine mit all der Arbeit. Nach 6 Wochen Überforderung, Wut, Trauer, Verzweiflung haben sie sich getroffen und entschieden: etwas muss sich ändern.
Sie haben sich zusammen getan und an Stelle ihrer Männer die Führung des Dorf übernommen. Das Resultat? Wenn wir in diese Gemeinde gehen, rufen wir inzwischen bei den Frauen an. Sie organisieren unsere Motorräder, unser Essen, unseren Schlafplatz und machen ihren Männern klar, wann sie zuhause sein müssen. Und die Männer? Lassen den Frauen ihren Raum. Neulich hatten wir ein Treffen nur mit den Frauen. Die Männer haben sich getroffen um zu kochen (was sie eigentlich nicht können, also gabs vorher eine handfeste Einweisung durch die Dame des Hauses). Das besondere daran: Männer kochen hier in Bauern Familien nicht. Männer gehen aufs Feld und setzen sich abends an den gedeckten Tisch ohne Danke zu sagen.
Nicht so in dieser Gemeinde. Das Verständnis und der Respekt für die Arbeit des Anderen ist viel größer als überall sonst.
Und das wird weiter gegeben an die Kinder. Die Töchter gehen zur Schule bis sie 18 sind und nicht nur bis 14. sie reden davon auf die Uni zu gehen. Sie reden davon erst später zu heiraten, und nicht mit 14/15 wie das hier üblich ist.
Ich geb’s zu. Ich bin ein großer Fan von Frauenpower. Aber ein noch größerer Fan bin ich von Berracas!
Sophia Zademack, 16.4.18, Kolumbien