Vor vier Wochen bin ich in Honduras angekommen. Die ersten Tage verliefen ruhig, man gab mir Zeit anzukommen und ein wenig die Hauptstadt Tegucigalpa kennenzulernen. Man hört sehr viel Negatives von dieser Stadt, doch sie gefällt mir. Es ist eine sehr lebendige Stadt, ein urbanes Chaos mit Charme.
Nach einer Einführung in die Lage des Landes, nahmen wir an einigen Konferenzen verschiedener NGOs teil. Obwohl ich den Durchblick durch den Akronym-Dschungel noch nicht ganz beherrschte, fand ich die Diskussionen sehr interessant. Oft sprach man von Kampf und Widerstand, von einer wissenschaftlicher Perspektive versteht sich. Die Lage im Land wurde als sehr angespannt dargestellt. Die politische Elite hat ihre Glaubwürdigkeit wegen verschiedenen Korruptionsskandale, den manipulierten Wahlen 2017 und die darauffolgende Repression verloren. Die Zivilgesellschaft ist bereit sich zu organisieren und Widerstand zu leisten. Die Diskussionen und Informationen weckten bei mir nicht nur die Neugier auf die bevorstehende Feldarbeit, sondern steigerten meine Vorfreude darauf.
Erster Einsatz:
Mein erster Einsatz führte mich für fünf Tage als internationaler Beobachter nach El Triunfo, Choluteca in den Süden von Honduras, nahe an der Grenze zu Nicaragua. Unsere Aufgabe war es Padre Florentino, Pfarrer der Gemeinde, zu begleiten und Präsenz zu markieren. Unsere Präsenz soll für mehr Sicherheit sorgen. Vor kurzem wurde der Assistent des Padres auf offener Strasse erschossen. Solche Gewalttaten gehören in diesem Land leider zum Alltag. Was war das Motiv hinter dieser Tat? Vielleicht diente es zur Einschüchterung vom Padre. Er setzt sich stark für die Gemeinde der Region ein, welche unter der Korruption des Staates leidet und von verschiedenen Bau- und Mienenprojekten bedroht wird.
Wie in Tegucigalpa wurde auch hier von Widerstand gesprochen. Dieses Mal ging es um die Organisation des Widerstandes. Einige Mitglieder der Gemeinde haben zum Beispiel eine Radiostation gebaut. Padre Florentino versucht die verschiedenen Gemeinden der Region von El Triunfo zusammenzubringen, um vereint gewaltfreie Aktionen zu planen.

Radio Cholula Triunfeña
Zweiter Einsatz:
Die Halbinsel Zacate Grande am Pazifik ist befallen von Skorpionen und Mücken. Dorthin verschlug es mich für unseren zweiten Einsatz. Unser Ziel war das „Observatorio Internacional“, welches sich bei der Radiostation in Puerto Grande befindet. Dort liessen wir uns eine Woche nieder.
Unsere Aufgabe war es internationale Präsenz zu zeigen. In dieser Region wird die Gemeinschaft von nicht gerechter aber kurioserweise «legaler» Landesenteignung geplagt. Kurz gesagt werden Grundstückskaufverträge dem Höchstbietenden weiterverkauft, auch wenn diese schon jemandem gehören und nicht zu Verkauf stehen. Daraus entsteht ein Konflikt, bei dem es für ein Stück Land verschiedene «legale» Grundstückbesitzer gibt. In Honduras gewinnt dieser Konflikt meistens der Stärkere, ergo Reichere und Regimetreue mit Hilfe von Militär und Polizei. Aber nicht immer, denn in Puerto Grande gelang es einigen Familien ihr Land behalten zu können. Ihre Waffe war ein gut organisierter Widerstand: ein Widerstand der viel Kosten kann, viele verloren ihre Freiheit oder sogar ihr Leben.

Kriminalisierter Wassermelonenbauer
Kampf für Gerechtigkeit und ein Volk, welches an seine Grenzen getrieben und zum Widerstand gezwungen wird, sind meine ersten Eindrücke aus Honduras.
San Lorenzo, Christophe Egger, 20.07.2018
Fotos: Honduras © Christophe Egger 2018