Mercado Campesino

“Willkommen auf dem Mercado Campesino (BäuerInnenmarkt) von Barrancabermeja! Hier finden Sie lokale Produkte, voll und ganz biologisch angebaut! Unterstützen wir unsere Bäuerinnen und Bauern und begrüssen wir unsere Kameradinnen und Kameraden, die heute von weit her gekommen sind, um ihre Produkte anzubieten. Es sind Frauen und Männer, die um den Verbleib auf ihrem Land kämpfen und heute mit der Kampagne #Somos como tú auf ihre Probleme aufmerksam machen wollen!”

So dröhnte die Stimme einer Leaderin und Menschenrechtsverteidigerin der OFP* an diesem regnerischen frühen Morgen des 4. November 2018 durch ein Megaphon, sodass die Nachbarn spätestens jetzt Bescheid wussten, dass heute nicht einfach ein gewöhnlicher Markttag war. Im Verlauf des Morgens würde nebst dem Mark auch eine Gesprächsrunde stattfinden, sowie ein gemeinsames Frühstück mit den campesinas und campesinos, den Frauen der OFP und den VertreterInnen der unterstützenden Organisationen.

Nachdem einige Tage zuvor das Frühstück mit JournalistInnen und die Übergabe der Marktkörbe an verschiedene Vertreter von Behörden und Institutionen stattfand, war der Bäuerinnenmarkt der nächste Anlass, der im Rahmen der Kampagne #Somos como tú auf dem Programm stand. Der Anlass wurde in Zusammenarbeit mit der *Organización Femenina Popular (OFP) durchgeführt, einer grossen, seit über 40 Jahren bestehenden Frauenorganisation und engagierten Unterstützerin der Kampagne. Die Botschaft sollte hier der breiten Bevölkerung übermittelt werden, die häufig nichts oder nur wenig über die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnen weiss. Bei jedem Maniok, jeder Banane und jeder Kokosnuss, die über den Ladentisch gingen, hatten die Bäuerinnen und Bauern die Gelegenheit, ihre Geschichte an die KundInnen weiterzugeben. Diese konnten nicht nur ein frisches Produkt nach Hause nehmen, sondern auch ein besseres Verständnis für die Kleinbäuerinnen und -bauern. Auch hier soll die Öffentlichkeit feststellen können, das sie Landleute sind, die ihr Überleben mit dem Anbau von Nahrungsmitteln und dem Halten von ein paar Kühen und Hühnern sichern wollen. “Wir sind ehrliche, hart arbeitende, für unser Recht kämpfende Leute. Weil wir unser Recht auf Land und Territorium verteidigen, werden wir vom Staat selbst verfolgt, Guerrilleros und Delinquenten genannt. Aber in Wahrheit sind wir Bäuerinnen und Bauern, wir sind wie ihr”, erklärt ein Leader aus Nueva Esperanza einer Gruppe Kundinnen.

Wandmalereien in Barrancabermeja

Wandmalerei in Barrancabermeja

Parallel zum Markt wurde im Haus der OFP eine Galerie der Erinnerung eingerichtet. Die Exponate, alles grossformatige Fotografien der Graffiti, die der spanische Künstler Ze Carrión letztes Jahr in Zusammenarbeit mit den BewohnerInnen der fünf Gemeinden gesprayt hat und die Hauswände in Las Pavas, El Guayabo und El Garzal zieren. Die Kunstwerke sind einerseits Zeugnisse der Gewalt, denen sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausgesetzt waren, andererseits drücken sie auch den Wunsch nach Frieden und Überwindung des Schmerzes aus. Und sie sollen verhindern, dass die Ereignisse in Vergessenheit geraten, damit sie verarbeitet und irgendwann abgeschlossen werden können.

Im Verlauf des Morgens fand auch eine Gesprächsrunde statt, an der sich lokale, also

Mann

Wandbild in Barrancabermeja

AnführerInnen aus einem urbanen Kontext mit den ruralen trafen. Sie tauschten Erfahrungen aus und diskutierten über Schnittstellen und mögliche Strategien für eine Verknüpfung von Stadt und Land. Auf den ersten Blick mögen die Szenarien unterschiedlich sein, genau genommen sind sie aber eng verbunden, denn ob die Bedrohung von den verbleibenden Guerrilla-Organisationen, dem Organisierten Verbrechen, von paramilitärische Einheiten oder vom Staat selbst ausgeht, spielt keine Rolle. Die Vorgehensweise ist immer sehr ähnlich und hat den selben Zweck: Lästige Bürgerinnen und Bürger aus dem Weg räumen um ungehindert den kriminellen Machenschaften nachgehen zu können. Leute, die Missstände und Korruption anzeigen stören ebenso wie Gewerkschafterinnen, die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Bauern, die ihr Land dort verteidigen, wo die Regierung und irgendwelche multinationale Konsortien eine Autobahn bauen oder Bohrtürme für das Fracking aufstellen wollen sind bei den diversen Gruppierungen nicht weniger unbeliebt als Bäuerinnen, die sich gegen die immer grösser werdenden Monokulturen von Ölpalmen und Zuckerrohr wehren.

Was mir grosse Sorgen macht, ist die offensichtliche Beteiligung des Staates. Sie beginnt beim gewöhnlichen Polizisten und reicht bis weit hinauf in den Regierungsapparat. So lange die Korruption nicht ernsthaft bekämpft wird, so lange wird der Weg zu Frieden und Gerechtigkeit für die Bevölkerung ein noch ganz langer sein.

 

Monika Stucki, Barrancabermeja, November 2018

Fotos © Monika Stucki


Weitere Links zu Medienberichten auf Spanisch:

file:///E:/Blogs/Blog%20Somos%20como%20tu/Enlace%20tv.html

https://www.youtube.com/watch?v=5OvcwILBzp4 Desayuno con periodistas

https://verdadabierta.com/no-somos-guerrilleros-somos-como-ustedes/

Titelbild: Markt in Barrancabermeja © Monika Stucki

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