Schutt und Asche unter Palmen

KOLUMBIEN. Auf unserer Fahrt nach Las Pavas passieren wir mit Palmen gesäumte Wege, die karibisches Flair wie im Ferienkatalog vermitteln. Doch hinter den Palmen verbergen sich kein weisser Sandstrand und Sonnenschirmchendrinks, sondern die skrupellose Palmölfirma “San Isidro”. Sie ist dafür verantwortlich, dass der grösste Teil der einst hier ansässigen Campesin@s ihr Land und ihre Häuser verlassen mussten. Von den ehemals über 100 Familien, die in Las Pavas gelebt haben, sind inzwischen wieder 10 Familien zurückgekehrt, wie uns einer der Bauern berichtet. Die übrigen Campesin@s sind ins benachbarte Buenos Aires geflohen.

Ende Januar wurden in Las Pavas wieder zwei Fincas abgebrannt. Bei unserem ersten Besuch im Februar können wir uns ein Bild von den Überresten machen. Bestürzt müssen wir mitansehen, wie Benito*, einer der Besitzer der zerstörten Fincas, inmitten seiner in Schutt und Asche gelegten Finca steht. Mit zitternder Stimme erzählt er, wie sich der Verlust für ihn anfühlt. Alles wurde ihm genommen, sein ganzes Hab und Gut verbrannt. Wahrscheinlich wird man nie erfahren, wer dafür verantwortlich ist. Der Verdacht liegt aber nahe, dass es sich um Arbeiter der Palmölfirma handelt. In der Vergangenheit haben sie die Bauern bereits bedroht, Tiere und Pflanzen vergiftet. Noch haben sie es aber nicht geschafft, alle Campesin@s von ihren Feldern zu vertreiben. Ein paar wenige Bauern kehrten trotz aller Widrigkeiten zurück und leisten Widerstand. Einer dieser “Widerstandskämpfer” ist Don Miguel*, ein älterer kleiner Herr von schmächtiger Gestalt, der uns bei unserem Besuch mit einem grossen Strahlen empfängt. Er wohnt im Campamiento, dem Zentrum des Widerstands von Las Pavas. Don Miguel erzählt uns, dass er dieses nicht verlässt, weil er befürchtet, dass die Mitarbeitenden der Palmölfirma seine Unterkunft in Brand setzen würden. Wenn er nicht gerade hart auf dem Feld arbeitet, widmet er sich der Lektüre berühmter Philosophen wie Aristoteles oder Sokrates oder spielt auf seiner Gitarre.

Doch nicht alle hier verbliebenen Campesin@s strahlen eine so grosse innere Zufriedenheit aus wie Don Miguel. Bei unserem zweiten Aufenthalt in Las Pavas besuchen wir einige Familien auf ihren Fincas. Sie leben idyllisch, mitten im Grünen, von Schweinen, Hunden und Hühnern umgeben. In der Nacht wird die gesamte Umgebung in ein funkelndes Meer aus Glühwürmchen getaucht. Ein magischer Moment! Doch die Magie hat auch ihre Kehrseite – sie bedeutet tagtäglichen Kampf um Trinkwasser, Nahrung und medizinische Versorgung. Psychisch ist es besonders für die Frauen hart, so abgeschieden zu leben. Sie fühle sich oft einsam, da ihr Mann den ganzen Tag auf dem Feld verbringe und sie keinen Kontakt zur Aussenwelt habe, erzählt uns Yarelis*, eine der Campesinas.

Geselliger ging es in Guayabo zu, als wir die Gemeinschaft vor einer Woche anlässlich einer grossen zweitägigen Fiesta besuchten. Aus Barrancabermeja, Bucaramanga und sogar Bogotá reisten Familienangehörige für die Festivitäten an. Es wurde getanzt, getrunken und gelacht. Die Leute feierten bis in die frühen Morgenstunden. Die Lebensfreude lassen sie sich eindeutig nicht nehmen – auch nicht von Rodrigo und seinen Hintermännern. Es schien zumindest so, als könnten sie für eine kurze Zeit ihre Sorgen vergessen. Der Termin für die nächste Verhandlung im Fall Rodrigo wurde auf Mitte Mai angesetzt. Bis dahin bleibt zu hoffen, dass es zu keinen Zwischenfällen kommt.

Simone Dietrich, Kolumbien, Ende März 2019


*Name geändert

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