Mit Schirm, Charme und Sombrero

KOLUMBIEN. Frühmorgens brechen wir in Richtung “El Garzal” auf. Während wir am Hafen auf unsere Chalupa (Boot) warten, geht am Rio Magdalena langsam die Sonne auf und wirft sanft ihr goldenes Licht aufs Wasser. So verschlafen wir uns noch fühlen, müssen wir beim Anblick des schönen Naturschauspiels zugeben: Morgenstund hat Gold im Mund. Wir sind zusammen mit der nordamerikanischen Menschenrechtsorganisation “Equipos Cristianos de Acción por la Paz” (ECAP), der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation “Justapaz” sowie der staatlichen “Agencia Nacional de Tierra” (ANT) unterwegs.

Auf der Fahrt nach El Garzal geht es munter zu und her, es wird geredet und gelacht. Was sich für uns wie eine Klassenfahrt ins Dschungelcamp anfühlt, bedeutet für El Garzal einen wichtigen Schritt zur Ausstellung ihrer Landtitel – ein historischer Moment für die Gemeinschaft. Bereits seit 2004 läuft das Verfahren unter der Begleitung der “Defensoria del Pueblo”. Es handelt sich um einen komplexen Prozess, bei dem viele administrative und juristische Verfahren parallel laufen und sich teilweise auch widersprechen. Dies macht es sowohl für die Menschenrechtsorganisationen als auch für die Campesin@s nicht einfach, den Überblick zu behalten.

An vorderster Front kämpft Pastor Don Esteban*. Er ist ein charismatischer Mann mit viel Charme und Schalk in den Augen. Als Leader setzt er sich mit grossem Engagement und Herzblut für die Landrechte seiner Gemeinschaft ein. Er geniesst auch Bekanntheit über die Grenzen von El Garzal hinweg, ist in der Region fast schon eine kleine Berühmtheit – sozusagen der “Braveheart” des Magdalena Medio. Dies kommt nicht von ungefähr: In der Verteidigung ihrer Rechte hat er auch die Campesin@s in El Guayabo und Las Pavas unterstützt und sie immer wieder darin bestärkt, den Kampf um ihr Land nicht aufzugeben. Wohin wir ihn auch begleiten, nimmt er sich Zeit für die Leute – er schenkt ihnen ein Lächeln, wechselt ein paar Worte und klopft ihnen ermutigend auf die Schulter.

Dabei hat er keine einfache Aufgabe: Als Vertreter für die Rechte seiner Gemeinschaft trägt er eine grosse Verantwortung. Er wurde schon unzählige Male von paramilitärischen Gruppen mit dem Tod bedroht. Aus diesem Grund dürfte er sich auch nicht mehr alleine frei bewegen, sondern muss jeweils von seinem Personenschützer Juan* begleitet werden. Dass der Pastor es damit nicht so genau nimmt, offenbart sich uns, als er sich zu unserem Erstaunen immer wieder alleine auf seinem Motorrad davonmacht. Ein echter Rebell!

Trotz unzähliger Bedrohungen hat der Pastor nie den Mut verloren. Dies hat er seinem Glauben, aber nicht zuletzt auch seiner Frau Sofia* zu verdanken, die ihm in all den Jahren immer den Rücken gestärkt hat. Theatralisch und mit einem schelmischen Lachen unterschreibt der Pastor am Donnerstag feierlich sein Dokument.

*Name geändert

Simone Dietrich, Barrancabermeja

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Fotos: Leonie Pock (PWS)

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