Die Bevölkerung im Landkreis Namasigüe, Bezirk von Choluteca, lebt im Wesentlichen von der Landwirtschaft. Das Gebiet ist von einem trockenen Klima geprägt, und es wächst ein lockerer Wald; die meisten der Baumarten sind an die Klimazone angepasst, so wie der Kalebassenbaum, Mangobaum und Cashewbaum. Wie uns die von PWS begleiteten Gemeinden erzählen, waren die Wasserquellen früher zwar begrenzt aber ausreichend für die Familien. Es gab Wasser aus Brunnen und anderen kleinen Gewässern.
2015 entschied die honduranische Regierung, die Matrix der Energiegewinnung in Honduras zu verändern, und begann im Landkreis Namasigüe, zuerst in der Gemeinde Rancherías, Sonnenkollektoren zu bauen. Ursprünglich war geplant gewesen, mit dem Projekt in den Gemeinden Los Prados I und Los Prados II anzufangen. Dies war aber nicht möglich, weil sich die Bevölkerung in einem Komitee organisierte und Widerstand gegen das Projekt der Solarenergie Los Prados leistete.
Zunächst vergab der Staat Konzessionen an honduranische Unternehmen, die später vom norwegischen Unternehmen Scatec Solar[1] (70%) und dem Investitionsfond Norfund [2] (30%) gekauft wurden. Außerdem soll das Projekt Darlehen von der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftsintegration (Banco Centroamericano de Integración Económica, BCIE) erhalten haben.
In den betroffenen Gemeinden wurde nie ein Konsultationsprozess mit den Gemeinden durchgeführt; ihr Einverständnis zur Errichtung von Solaranlagen wurde nicht eingeholt, obwohl sie nach honduranischer Gesetzgebung das Recht hätten, angehört zu werden.[3] Für die Installation der Projekte wurden Nutzholz- und Fruchtbäume gefällt. Dies führte zur Austrocknung der Wasserquellen nahe der Oberfläche. In der Folge senkte sich der Wasserspiegel der Brunnen, Vögel aus der Gegend verschwanden und das Klima wurde heißer. Dies berichten übereinstimmend die Menschen aus diesen Gemeinschaften.
Ein großer Teil der Bevölkerung – vor allem die Frauen, die den Wassermangel als erste spürten, errichteten im Jahr 2017 bei der Gemeinde Rancherías ein Widerstandscamp. Acht Monate später, am 8. März – also am internationalen Tag der Frau – wurde dieses Camp von der nationalen Polizei, Mit-gliedern der Armee und privaten Polizisten geräumt. In Los Prados I existiert das Widerstandscamp bis heute.

Das Widerstandscamp von Los Prados. © Christophe Egger http://christopheegger.com/
Eine weitere Widerstandsaktion der Bevölkerung war eine von den Gemeinden selber durchgeführte Konsultation. Diese fand Ende 2019 statt.[4] Die Befragung fand technische Unterstützung durch das Honduranische Zentrum für Förderung Gemeinschaftlicher Entwicklung (Centro Hondureño de Promoción para el Desarrollo Comunitario, CEHPRODEC), die Frauenvereinigung für Verteidigung des Lebens (Asociación de Mujeres en Defensa de la Vida (AMDV) und die Sozialpastoral der katholischen Kirche (CARITAS). Das Ergebnis der Konsultation war eindeutig: 97 Prozent der Abstimmenden sprachen sich gegen Solarenergie- und Bergbauprojekte im Kreis Namasigüe aus[5].

Das Widerstandscamp von Los Prados. © Christophe Egger http://christopheegger.com/
Während der Zeit der Coronakrise informierten uns Bewohner*innen der ebenfalls im Landkreis Namasigüe gelegenen Gemeinde Costa Azul, und Mitglieder des Netzwerkes der Anwältinnen für Menschenrechte (Red de Abogadas por los Derechos Humanos) darüber, dass das Projekt möglichweise suspendiert wird. Aber wie wir aus den begleiteten Gemeinschaften hören, hat das Abholzen der Bäume nicht aufgehört. Dies könnte auf die Fortsetzung des Solarenergieprojektes oder auf andere ebenfalls zerstörerische Ziele hinweisen.
Die Bevölkerung bleibt dabei im Ungewissen. Auf der einen Seite existiert die Befürchtung, dass das Unternehmen das Fotovoltaik-Projekt zu den Gemeinden Los Prados I und II faktisch vorantreibt, zum anderen wird vermutet, dass womöglich Monokulturen mit Melonen und Wassermelonen geplant sind. In beiden Fällen sind die Konsequenzen für die Umwelt und Menschen verheerend; sie treiben den Klimawandel und den Migrationsdruck voran.
Ein Aspekt der Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen ist der Prozess der Repression und Kriminalisierung der Protestierenden durch Polizei und das Rechtssystem. Das Netz der Anwältinnen des Südens unterstützt die Bevölkerung juristisch und durch Empowerment. Von PWS aus haben wir die Gemeinde Costa Azul und einige der Gerichtsprozesse immer wieder begleitet und das jeweils Geschehene dokumentiert.
Die Landvertreibung hat eine nationale und eine internationale Dimension. Aus der Sicht einer unserer Begleiteten der Gemeinde Costa Azul gewinnen an diesen Projekten sowohl die honduranischen Unternehmen, als auch die großen Unternehmen mit Kapital aus Norwegen und die BCIE.
Es lässt sich auch von einem “grünen Kolonialismus”[6] sprechen. Der Kreis Namasigüe und anderen Regionen in Honduras sind ein Beispiel dafür. Insgesamt kommt es zu einer neuen Welle der Ausbeutung riesiger Landflächen, um Kapital zu maximieren, wobei die Akteure sich zugleich den Anschein geben, ökologisch zu handeln.
In Los Prados und Ranchería hat PWS beobachtet, wie diejenigen kriminalisiert und unterdrückt werden, die sich gegen die Projekte grosser, wirtschaftlicher Akteure in ihrem Lebensraum wehren. In einem Umfeld, in welchem alle Bereiche der Politik und Wirtschaft von Korruption durchdrungen sind, gilt rasch die Macht des Stärkeren; die Politik und ihre Institutionen werden instrumentalisiert. Das internationale Kreditwesen macht im Sinne der Gewinnoptimierung mit.[7]
Es ist daher verantwortungsvolles Handeln, die Bevölkerung international zu begleiten und den Kampf der Menschen sichtbar zu machen, die ihren Lebensraum und die Natur verteidigen und sich nicht vertreiben lassen.
Berlin und Tegucigalpa, Juli 2020, Daniel Stosiek
Daniel ist PWS-Menschenrechtsbegleiter und arbeitet zurzeit von Berlin für PWS.
[1] Projekte von Scatec Solar in Honduras: https://scatecsolar.com/locations/honduras/
[2] Projekte der Solaranlagen in Namasigüe mit Finanzierung durch Scatec Solar und Norfund: http://www.conexihon.hn/index.php/tv/765-proyecto-fotovoltaica-los-prados-y-el-impacto-socio-ambiental-en-honduras
Selbstdarstellung des norwegischen Investitionsfond Norfund: https://www.norfund.no/
[3] Honduranisches Gesetz: Ley de Municipalidades https://portalunico.iaip.gob.hn/portal/ver_documento.php?uid=NzAxNDk4OTM0NzYzNDg3MTI0NjE5ODcyMzQy
[4] Selber durchgeführte Konsultation zum Solarenergieprojekt: https://www.business-humanrights.org/en/node/199061
[5] Ergebnisse dieser Konsultation: https://criterio.hn/97-de-la-poblacion-de-namasigue-dice-no-a-la-mineria-y-fotovoltaicas/
[6] Magdalena Heuwieser, Grüner Kolonialimus in Honduras. Land Grabbing im Namen des Klimaschutzes und die Verteidigung der Commons, Wien (Promedia) 2015.
[7] Eine Interpretation der Politik, der “humanen Ökonomie”, die als bloße “kommerzielle Ökonomie” handelt, nach dem Buch von David Graeber: Schulden. Die ersten 5000 Jahre, Stuttgart (Klett-Cotta Verlag) 2012.
Titelbild: Bereits realisierte Fotovoltaik-Installation in Los Prados im Jahr 2018 © Christophe Egger http://christopheegger.com/