Honduras. Internationale Menschenrechtsbegleitung zu COVID-Zeiten

Im September hat Peace Watch Switzerland (PWS) die physische Menschenrechtsbegleitung mit Besuchen bei Basisorganisationen und Begleitungen von Menschenrechtsverteidiger*innen in Honduras wieder aufgenommen. Wegen der nationalen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie – Ausgangssperren, Schliessung der Grenzen und Flughäfen, regionale Reise-einschränkungen – hatte PWS den Kontakt zu den begleiteten Gemeinschaften auf Distanz mit regelmässigen Telefongesprächen wahrgenommen. Dies war wichtig, denn auch während der Covid-bedingten Schliessungen wurden juristische Prozesse weitergeführt und geplante Projekte von Investorenseite weitergetrieben.

Die Wiederaufnahme der physischen Begleitung durch PWS wurde im September nach einer schrittweisen Öffnung im Land wieder möglich. Zudem hatte PWS als Organisation einen Laisser-Passer erhalten, der uns Bewegungsfreiheit gibt. Die Begleitungen finden neu nach einem COVID-Schutzkonzept statt; wir bewegen uns nicht mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern in gemieteten Autos, übernachten nicht mehr in den Dörfern bei den Gemeinschaften, schützen uns und die anderen während der Begleitung mit Maske und Desinfektionsmittel und halten Abstand.

Vor Ort haben wir umgehend wieder Situationen angetroffen, in denen Menschenrechtsver-teidiger*innen bedroht und eingeschüchtert werden. Die Führungsperson Pedro Canales von ADEPZA (Asociación para el Desarrollo de la Península de Zacate Grande) – eine Basisorganisa-tion, die wir seit 2018 begleiteten – hatte von privaten Sicherheitsleuten der Landbesitzer auf der Halbinsel Zacate Grande Todesdrohungen erhalten. Sein Familienhund wurde erschossen. ADEPZA hat uns und andere Organisationen umgehend informiert und um Schutz gebeten. PWS konnte Canales, ADEPZA und die strategischen Partner Ende September vor Ort informieren. Wir haben gesehen, welcher Druck nun auf Pedro und seiner Familie lastet. Die Drohungen gehen stellvertretend an Pedro als Führungsperson; sie sind jedoch an alle gerichtet, die ihr Land gegen die geplanten Megaprojekte in der Region verteidigen, sich gegen die Vertreibung wehren und den juristischen Prozess mittragen. Die Erschiessung des Hundes soll ein Zeichen setzen, auch Hunde von anderen Familien wurden mit dem gleichen Zweck getötet. Oft werden Hunde in der Region als Wächter gehalten, weil sie anzeigen, wenn sich fremde Personen dem Haus nähern.

© Evelina Vargas PWS: Die PWS-Menschenrechtsbegleiterinnen mit Pedro Canales in der Gemeinde la Flor

PWS hat neben den Besuchen vor Ort wie erwähnt auch weitere Akteure über die Vorkommnisse informiert, etwa die international tätigen NGOs in Honduras, die in der Plattform Asociación de Cooperación Internacional (ACI) zusammengeschlossen sind. ACI hat ein Informationsschreiben an die diplomatischen Vertretungen verschiedener Regierungen und der EU in Honduras gerichtet. PWS hat auch das Koordinationsbüro der DEZA (Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) in Honduras benachrichtigt, und dieses schlug vor, dass Pedro Canales am Meeting der sogenannten G16 (Plattform von internationalen Vertretungen in Honduras) eine Zeugenaussage machen könnte. PWS organisierte daraufhin das Nötige, damit Pedro in der Nähe seines Wohnorts von einem sicheren Ort aus per Internet den G16 seine Situation erläutern konnte, des Weiteren begleitete PWS Pedros Zeugenaussage am 22. Oktober. Die massive Einschüchterung an die Adresse von ADEPZA sind somit nicht unbemerkt geblieben.

Die jüngsten Drohungen an ADEPZA stehen im Zusammenhang mit den Regierungsprojekten, die in bestimmten Regionen von Honduras sogenannte Sonderentwicklungszonen (ZEDE) einrichten wollen. Das sind extraterritoriale Zonen mit idealen Bedingungen für Grossinvestitionen. Für die Region am Golf von Fonseca ist ein eine grossangelegte Tourismuszone geplant, ähnlich wie für die honduranische Atlantikinsel Roatán. Zur Durchsetzung dieser Vorhaben haben die Einschüchterungen von Menschenrechtsverteidigern und Umweltaktivistinnen in letzter Zeit – gerade auch während des Lockdowns – zugenommen. PWS ist deshalb froh, dass wir unsere Begleitarbeit wieder aufnehmen können. Auch andere Basisorganisationen stehen unter Druck, und das Netzwerk der freiwilligen AnwältInnen, die diese Organisationen in den juristischen Verfahren begleiten, bittet uns um internationale Präsenz und Begleitung, denn auch sie sind stark exponiert.

Tegucigalpa, Ende Oktober 2020, Evelina & Gloria

Evelina ist internationale Menschenrechtsbegleiterin von Peace Watch Switzerland (PWS) in Honduras


Titelbild © Evelina Vargas PWS: Transparent mit dem die ADEPZA gegen Korruption mit COVID-Hilfsgeldern und gegen das Verschwinden von vier Garifuna-Indigenen protestiert.

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