Der Kampf um Wasser und Leben in Guajiquiro, Departement La Paz, Honduras

Artikel von Guido Eguigure, Leiter des PWS-Projekts ACO-H und PWS-Vertreter in Hondruas. Übersetzt von Kathrin Klöti, internationale Menschenrechtsbegleiterin von PWS in Honduras.

Tegucigalpa, Juni 2021

Wer zum ersten Mal nach Guajiquiro reist, einer Lenca-Gemeinde im Departement von La Paz, ist auf Anhieb von mindestens drei Dingen beeindruckt: Von der Schönheit der grünen und üppigen Berge, die auf mehr als 2’200 Metern Höhe über Meer den Himmel zu küssen scheinen, von der Freundlichkeit der Menschen und von deren Entschlossenheit, für ihr Land zu kämpfen. Korrupte Politier*innen wollen ihnen dieses nämlich entreissen. Der erste Besuch bei der Gemeinde von Guajiquiro ist zweifellos Liebe auf den ersten Blick. Guajiquiro ist einer der schönsten Orte in Honduras.

In Guajiquiro, Santa Ana und Opatoro entspringen mehrere Flüsse, welche die Gemeinden weiter unten in La Paz mit Wasser speisen, wie San Juan und Aguanqueterique. In diesem Gebiet entspringt auch der Fluss Goascorán, der in den Golf von Fonseca mündet. Allein in der Region Pazguare gibt es elf Wasserquellen. Wenn wir zur Schönheit dieser Berge die enorme Artenvielfalt miteinbeziehen, sind die Verbundenheit der Lenca mit ihrem Territorium und der Ehrgeiz derjenigen, die sich das Land illegal aneignen wollen, leicht zu verstehen.

Seit dem Putsch 2009 wird in Honduras ein Wirtschaftsmodell vorangetrieben, das darauf beruht, bedeutende Teile des Staatsgebiets in Investitionsprojekte zur Energiegewinnung, für Bergbau oder Tourismus zu übertragen. Diese Investments werden von den Eliten des Landes in Partnerschaft mit transnationalen Konzernen durchgeführt. Dabei gewährt der Staat den Investor*innen äusserst flexible rechtliche Bedingungen und einen extrem vorteilhaften institutionellen Rahmen. Im Gegensatz zu dieser Vorteilsbehandlung ist derselbe Staat inquisitorisch und äusserst gewaltsam gegenüber seiner eigenen Bevölkerung, die das Recht auf Selbstbestimmung, auf freie und informierte Konsultation vor dem Entscheid über ein Projekt beansprucht und den eigenen Entwicklungsweg bestimmen will.

Aktuell sollen in Honduras die sogenannten ZEDEs[1] umgesetzt werden. Die gesetzliche Grundlage dazu hat die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs am 12. Dezember 2012 rechtswidrig und im Eilverfahren erlassen. In den ZEDEs sollen Teile des Landes an ausländische und inländische Investor*innen übergeben werden. Zwar bleiben staatliche Strukturen erhalten, aber die dort herrschenden Rechts-, Steuer-, Sicherheits- und Justizsysteme und ihre Behörden geniessen grosse Unabhängigkeit. Ungeachtet der gültigen Verfassung, der nationalen Gesetzgebung, unterzeichneter Verträge und Konventionen sowie jenseits aller Logik setzt die despotische Regierung die ZEDE-Projekte mit totalem Zynismus fort.

In diesem tragischen Kontext bringt die Autonome Lenca-Umweltplattform von Guajiquiro, besser bekannt als PALAGUA, Menschen aus dem Lenca-Volk zusammen, die sich der Gefahr bewusst sind, die ihrem Volk droht, wenn ehrgeizige Politiker*innen sich ihre Berge und Flüsse aneignen wollen. PALAGUA integriert eine breite Palette von Mitgliedern aus mehr als 44 Gemeinden: von noch nicht volljährigen Mädchen und Jungen bis hin zu Männern und Frauen, die bereits die Achtziger überschritten haben. Jede Person sagt, dass sie bereit ist, alles zu tun, um ihr Territorium zu verteidigen, da sie davon überzeugt ist, dass ihnen dieses Land ihr Leben, ihre Kultur und ihre Menschenwürde garantiert.

Der Kampf um ihre Rechte hat die prominenten Lenca-Führer von La Paz, Víctor Vásquez und Santos Vigil, ins Gefängnis gebracht. Auf sie wurde das neue kriminelle Konzept der «Zwangsvertreibung» willkürlich angewendet. Ihre Kriminalisierung verletzt die elementarsten Rechtsnormen und das in internationalen Konventionen verankerte Recht auf Mitsprache. Die freie und informierte Konsultation gemäss ILO-Konvention 169, die vom honduranischen Staat unterzeichnet und ratifiziert wurde und auf die das Volk der Lenca von Guajiquiro Anspruch hat, wird damit zu einem Fetzen Papier.

Der Kampf der Lenca in PALAGUA ist ungleich. In gerichtlichen Anhörungen ist es sehr einfach, die Interessen der staatlich geschützten Investor*innen durchzusetzen. Die Vertretungen der Menschen vor Ort werden ohne Unterstützung von aussen kaum gehört.

Trotz allem leistet PALAGUA Widerstand und kämpft. Das Volk der Lenca erhebt seine Stimme zur Verteidigung der Rechte seiner Vorfahren. Zusammen mit Berta Cáceres, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin der Lenca, die 2016 wegen ihres Engagements in einem vergleichbaren Fall brutal ermordet wurde, sagen sie: „Wir sind wachsam und zu allem bereit“.


[1]
                  [1] ZEDE: Wirtschaftliche Sonderentwicklungszonen mit extraterritorialer Gesetzgebung.

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