Acompañamiento de PWS a COFADEH a monitoreo de situación de DDHH de migrantes en la frontera de Trojes (Honduras-Nicaragua).

Migration in Honduras

Artikel von Nicolas Schärmeli, internationaler Menschenrechtsbegleiter von PWS in Honduras.

Tegucigalpa, Honduras, September 2022

Foto: PWS begleitet COFADEH bei der Überwachung der Menschenrechtssituation von Migranten an der Grenze von Trojes (Honduras-Nicaragua).

Tausende Honduraner*innen versuchen jährlich in die USA zu kommen. Warum tun sie das?

Auf einer Heimfahrt per Bus von Tela nach Tegucigalpa stiegen an einer Busstation zwei Familien zu und ein Junge setzte sich neben mich. Wir begrüssten uns und er fragte mich “Gringo?”. Ich antwortete “No, Europa.” Ich sagte ich ginge zurück in die Hauptstadt, er erzählte mir er ginge mit der Familie in die USA. “Zu Besuch?”, fragte ich. Er antwortete: “Nein, um dort zu Leben.” Auf diese Antwort wünschte ich ihm viel Glück und Erfolg und wusste danach einige Zeit nicht was sagen.

Später redeten wir viel und ich lernte, dass man in Honduras je nach dem nur zwei Tage in die Primarschule geht. Die Fächer sind Spanisch und Mathematik. Er hat lieber Mathe als Spanisch. Ein Lieblingsessen hat er keines, aber er liebt Reis mit Poulet und/oder Bohnen, Pizza, aber auch Schokolade oder MilkyWay, wovon er eines mit mir teilte. Ausser, um zur Schule zu gehen verlässt er das Haus allerdings fast nie, sein Stadtviertel ist zu gefährlich. Nur ein paar Mal in der Woche wagt er es, um Fussball zu spielen oder um die Tante zehn Häuser weiter zu besuchen.

Als wir in Tegucigalpa ankamen verabschiedeten wir uns und er und seine Familie suchten eine Unterkunft zum Übernachten. Bevor sie in die USA reisen, müssen sie allerdings noch ihre Pässe bestellen und auf deren Ausstellung warten. Und es scheint als könne die Familie, nicht wie viele andere, die legale und sichere Migrationsroute in Anspruch nehmen.

Geschichten wie diese gehören in Honduras zum Alltag. Praktisch in jeder Familie existiert mindestens ein Familienmitglied, welches sich in den USA oder Spanien befindet und Geld, sogenannte «remesas», nach Honduras zurücksendet. Dank dieser Unterstützung können die Communities und Familien hier oft überhaupt noch überleben. Viele der Häuser existieren nur, weil Geld aus dem Ausland zurückgesendet wird oder der Besitzer aus den USA zurückkam und sich eines mit dem dort verdienten Geld leisten konnte. Aber nicht nur Häuser und Lebensgrundlagen, sondern auch Proteste und Kämpfe gegen externe Interessen, werden durch diese Rücksendungen finanziert.

Im Jahr 2020 betrug die Anzahl der Geldüberweisungen aus dem Ausland zurück nach Honduras knapp 24% des gesamten Bruttoinlandproduktes.1 Ohne diese Rücksendungen wäre ein Überleben für viele hier kaum möglich.

Welches sind allerdings die Gründe, die zu solchen Emigrationszahlen führen? Warum verlassen jährlich tausende das Land, auf legalen sowie illegalen Wegen, um ein besseres Leben zu finden?

Die Gründe sind vielfältig und komplex, können aber auf einige essenzielle Punkte reduziert werden:

Fehlende Perspektive:

In Honduras fehlt jungen Leuten eine Perspektive und Möglichkeiten, sich aus der Armut zu befreien. Praktisch alles in diesem Land wurde privatisiert, das öffentliche Bildungs -und Gesundheitssystem sind schlecht und die öffentliche Verwaltung sowie die Regierung schaut mehrheitlich zu sich selbst oder verfolgt wirtschaftliche Interessen von Firmen der Elite des Landes oder von anderswo in der Welt. Die Korruption und Straflosigkeit in diesem Land sind äusserst hoch und die Justiz schützt vorwiegend die Elite.

Diese Politik hat eine hohe Arbeitslosigkeit von gut 10% zur Folge, sowie eine immens hohe Anzahl an Menschen in oder an der Grenze zu Armut.2 Etwa 70-75 % der honduranischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze und müssen mit weniger als 5,50 US-Dollar pro Tag auskommen. Dies ist ein Anstieg von über 20 % mehr als in 2018, als der Anteil noch bei 50 % lag. Darüber hinaus leben heute 45 % der Menschen in extremer Armut, d. h. sie haben nicht mehr als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Mittelklasse des Landes ist äusserts klein mit nur rund 17%, während der Rest der Bevölkerung sich nahe an der Armutsgrenze, mit hohem Risiko darunter zu fallen, befinden.2 3 4 5

Zwangsvertreibungen und Verlust der Lebensgrundlage:

Viele der Bewohner des Landes verlieren ihre Lebensgrundlage zugunsten von wirtschaftlichen Interessen. Meistens sind dies kleinere Dörfer oder Gemeinschaften mit vielen Bauern, Fischer, etc. die vom eigenen Erwirtschafteten leben. Minen, Staudämme, Tourismus und Monokulturen benötigen allerdings viel Land, Wasser und Strände, was immer wieder zu Zwangsvertreibungen der lokalen Bevölkerung führt. Zwischen 2004 und 2018 wurden rund 250‘000 Menschen im Land gewaltsam vertrieben und zur Umsiedlung gezwungen.6

Dazu kommt, dass die angebauten Produkte wie Palmöl, Melonen, Ananas, Kaffee, Zuckerrohr, etc. oft exportiert werden, auf Kosten von Grundnahrungsmittel wie Mais, Reis, Bohnen und weitere. Diese werden oft nun sogar importiert und jährlich teurer.7

Drogenhandel und Maras:

Diese Perspektivlosigkeit, Armut und Verlust der Lebensgrundlage führt viele, vor allem junge Männer dazu einer Bande beizutreten. Eines der Geschäfte das gut zahlt ist der Drogenhandel. Honduras ist ein Durchzugsland für Drogen von Lateinamerika nach Mexiko und die USA. Seit dem Staatsstreich von 2009 bis 2021 haben sich die Umstände erheblich verschlechtert. Heute wird der frühere Präsident, Juan Orlando Hernández, in den USA des Drogenhandels und der Geldwäsche beschuldigt.8 Aus diesem Grund bezeichnen viele Menschen im Land diese Zeit als Narco-Diktatur.

Die Banden erpressen Geschäfte für Schutzgeld was das Eröffnen eines eigenen Unternehmens äusserst schwierig macht. Dazu kommt, dass die Banden extrem brutal vorgehen können und viele der Eltern Angst haben, dass ihre Kinder einer dieser Banden beitreten könnte.

Sieht man dies wird ersichtlich, dass es für Honduraner sehr schwierig ist, im eigenen Land eine Chance auf ein besseres Leben zu erhalten. Dies führt zu der Entscheidung auszuwandern, zumindest für eine bestimmte Zeit, um genug Geld zu verdienen, um ein Haus zu kaufen und etwas Kleines aufzubauen.

Es ist absurd, dass externe, internationale Interessen den Communities das Leben so erschweren, dass sie ihre Lebensgrundlage verlieren, keine Arbeit mehr finden und somit (oft illegal) auswandern müssen, um Geld zu verdienen. Sie müssen auswandern in ebenjene Länder, aus welchen die Interessen oft herkommen, die Ihnen die Lebensgrundlage und Arbeit in Ihrem eigenen Land nehmen, damit sie Geld zurückzusenden können, um Ihre Lebensgrundlage zu sichern und/oder zu verteidigen. Länder wie die USA, Europa oder die Schweiz, wo Immigration immer als Probleme der Länder dargestellt werden, aus welchen die Migranten kommen, als hätte die Aussenpolitik ebenjener Länder keinen Einfluss auf das, was im globalen Süden passiert.

Um diesen Zyklus zu brechen und um die Zustände in Ländern wie Honduras zu verbessern, braucht es nicht nur internationale Unterstützung und Zusammenarbeit, sondern auch eine Änderung im Verhalten und der Politik des globalen Nordens, wo zurzeit Profit über allem steht.

1 https://data.worldbank.org/indicator/BX.TRF.PWKR.DT.GD.ZS?end=2020&locations=HN&start=1974&type=points&view=chart

2 https://databank.worldbank.org/data/download/poverty/33EF03BB-9722-4AE2-ABC7-AA2972D68AFE/Global_POVEQ_HND.pdf

3 https://proceso.hn/la-pobreza-en-honduras-podria-aumentar-de-70-a-75-en-2021-por-la-covid-19/

4 https://www.swissinfo.ch/spa/honduras-pobreza_la-pobreza-en-honduras-podr%C3%ADa-aumentar-de-70-a-75—en-2021-por-la-covid-19/46780626

5 https://criterio.hn/ine-borro-publicacion-que-establecia-que-pobreza-en-honduras-es-del-74/

6 https://www.icrc.org/en/document/honduras-displaced

7 https://oec.world/en/profile/country/hnd?depthSelector1=HS2Depth&yearlyTradeFlowSelector=flow1

8 https://contracorriente.red/2022/04/23/united-states-of-america-vs-joh-el-expresidente-hondureno-ahora-en-manos-de-la-justicia-estadounidense/

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